Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
seiner Forschungen war die Zerstörung der ganzen Welt.
[zur Inhaltsübersicht]
Zitteraal
Assault weapons have gotten a lot of bad press lately, but they’re manufactured for a reason: to take out today’s modern super animals, such as the flying squirrel, and the electric eel.
Lenny Leonard, «The Simpsons»
Das «New England Aquarium» im Hafen von Boston ist voller bemerkenswerter Kreaturen. Es verfügt unter anderem über Rochen, Haie, Riesenschildkröten, Riesentintenfische, Riesenirgendwas, Quallen, Robben und eine Anakonda. Man kann Krebse streicheln und Wale beobachten. Außerdem ist das Aquarium ein Ort, an dem man Zitteraale nicht nur sehen, sondern auch hören kann. Zitteraale gehören zu den wenigen Tieren, die extrem starke elektrische Signale erzeugen können, mit denen sie Beutetiere entweder töten oder zumindest immobilisieren. Die Schocks sind stark genug, um Menschen für Sekunden außer Gefecht zu setzen. Im Bostoner Aquarium wird jeder Stromstoß vom Zitteraal durch Sensoren in der Aquariumswand in akustische Signale umgewandelt. Sind die Zitteraale aufgeregt, erzeugen sie Trommelschläge, die durch das Gebäude bis zu den Pinguinen hallen. Zitteraalfreunde rings um die Welt fragen sich, wie der Fisch selbst seine heftigen Elektroschocks überlebt. Diese Frage ist überraschenderweise bis heute nicht eindeutig beantwortbar.
Zitteraale, lateinisch Electrophorus electricus , sind überhaupt keine Aale, genauso wie Bücherwürmer gar keine Würmer sind. Sie gehören zu den Neuwelt-Messerfischen (Gymnotiformes) , einer Ordnung, die in der Fischtaxonomie in der Nähe der Welsartigen steht. Sieht man sich den flachen, runden Kopf des Zitteraals genauer an, so ähnelt er tatsächlich eher einem Wels als einem Aal. Der Rest des Körpers dagegen ist aalartig; lang, zylinderförmig und flossenlos. Zitteraale können zwei Meter lang werden und gehören zu den größten Süßwasserfischen der Welt.
Das besondere Feature des Zitteraals jedoch ist seine Fähigkeit, andere Wasserbewohner mit starken Stromstößen zu quälen. Die Stromerzeugung allein ist nichts Besonderes unter Messerfischen. Wie der Zitteraal leben viele seiner Verwandten in dunklen, schlammigen Flüssen Südamerikas, im Amazonas und seinen unübersichtlich vielen Nebenflüssen. Weil man da unten nichts sieht, setzen die Fische schwache elektrische Impulse zur Navigation und Kommunikation ein. Neben diesen schwachen Impulsen kann der Zitteraal jedoch Spannungen im Bereich von 600 Volt erzeugen, fast dreimal so viel, wie aus der Steckdose kommt. Mit Hilfe dieser starken Elektroschocks erlegt er Beute, verteidigt sich gegen Feinde und hält Amazonastouristen davon ab, im seichten Wasser auf ihn draufzutreten.
Dass es sich bei diesen Schocks um elektrischen Strom handelt und nicht um irgendeine andere Art Todesstrahlen, ist seit etwa 300 Jahren bekannt. Im Jahr 1776 gelang es dem Engländer John Walsh, aus der Entladung des Zitteraals einen sichtbaren Funken zu erzeugen. In einem anderen Versuch demonstrierte er, dass der Schock eines Zitteraals von 27 in Reihe aufgestellten Personen gefühlt werden kann. Diese Experimente waren Vorläufer der Studien von Luigi Galvani und Alessandro Volta, die schließlich im Jahr 1800 zur Entwicklung der elektrischen Batterie führten. In jeder Taschenlampe steckt ein gezähmter Zitteraal.
Wie die Fische Stromschläge produzieren, die ein Pferd niederstrecken können, ist seit den 1950er Jahren umfassend erforscht. Die hinteren drei Viertel des Zitteraalkörpers werden im Wesentlichen von drei stromerzeugenden Organen eingenommen, von denen zwei für die starken Schocks zuständig sind. Die Organe bestehen aus Elektrozyten, Zellen, die auf einer Seite flach, auf der anderen zerfasert aussehen. Im Ruhezustand besteht zwischen dem Innenraum der Zelle und den Zellzwischenräumen eine geringe elektrische Spannung von etwa –90 Millivolt, unter anderem weil die in der Zellmembran eingebauten Ionenpumpen positiv geladene Natrium-Ionen aus der Zelle herausbefördern.
Das Kommando zur Auslösung eines Stromimpulses gelangt vom Fischgehirn über Nervenfasern in das elektroschockerzeugende Organ. Die an den flachen Seiten der Elektrozyten anliegenden Nervenenden bewirken die Freisetzung eines chemischen Stoffs, der wiederum dafür sorgt, dass Natrium-Ionen an einer Seite ungehindert in die Zelle strömen können, was die Spannung zwischen Innen- und Außenraum für kurze Zeit auf +50 Millivolt umdreht.
Weitere Kostenlose Bücher