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Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
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Dieser Vorgang geschieht gleichzeitig an mehreren tausend Zellen, die in einer langen Reihe angeordnet sind. Wie bei einer Autobatterie, wo mehrere Akkus in Serie geschaltet sind, addieren sich die kleinen elektrischen Potenziale, die an einzelnen Elektrozyten entstehen, zu einer hohen Spannung zwischen Anfang und Ende des Fisches. Für einige Millisekunden fließt ein starker elektrischer Strom von bis zu einem Ampere durch das den Fisch umgebende Wasser.
    Aber warum elektrokutiert sich der Fisch mit dieser ausgeklügelten Apparatur nicht selbst? Und warum schadet es ihm nicht, wenn Artgenossen direkt neben ihm Elektroschocks absondern, wie man es zum Beispiel im Aquarium in Boston beobachten kann? Die Frage ist so offensichtlich, dass sie im Internet von Laien ausgiebig diskutiert wird. Befragt man Experten dazu, räumen sie zwar ein, dass es keine klare Antwort gibt, aber zumindest liefern sie ein paar mögliche Erklärungen.
    Mit ziemlicher Sicherheit spielt die Anordnung der Elektroschockorgane im Körper eine Rolle. Während diese Organe im Schwanz des Fisches liegen, sind alle anderen wichtigen Teile (z.B. Herz und Gehirn) im oder nahe am Kopf angebracht. Der Weg von den spannungserzeugenden Elementen zum Kopf ist lang, und das Gewebe dazwischen leitet Strom schlechter als das Wasser, in dem sich der Fisch aufhält. Daher fließt im Wasser ein viel stärkerer Strom als im Fisch. Zudem sind die lebenswichtigen Organe durch isolierende Fettschichten geschützt.
    Gegen den Strom im umgebenden Wasser ist der Zitteraal zumindest zum Teil geschützt, weil er über eine dicke Haut verfügt, die elektrischen Strom schlecht leitet. Es hilft außerdem, dass der Zitteraal viel größer ist als seine Beute: Je größer die Oberfläche eines Fisches, desto mehr elektrische Ladungsträger können in ihn hineinströmen, das heißt, desto stärker ist der Strom, dem er ausgesetzt ist. Welchen Schaden dieser Strom dann aber anrichtet, hängt vom Volumen des Fisches ab. Der elektrische Strom, der durch den Zitteraal fließt, ist zwar stärker als der, den das kleinere Beutetier abbekommt, aber er verteilt sich auf ein viel größeres Volumen. Zudem ist der Stromstoß nur von sehr kurzer Dauer. Eine Kombination dieser Effekte führt dazu, dass der Zitteraal nicht die volle Wucht seines eigenen Stromschlags zu spüren bekommt.
    Aber das Problem ist damit nicht vollständig geklärt. Menschen sind deutlich größer als Zitteraale und verfügen ebenfalls über erhebliche Fettschichten. Trotzdem kann ein vom Zitteraal erzeugter Stromschlag sie für kurze Zeit außer Gefecht setzen. Das funktioniert auch, wenn sie sich nur mit den Beinen im Wasser befinden und der Weg zu den lebenswichtigen Organen demnach ähnlich lang ist wie beim Zitteraal. Menschen sterben an solchen Schocks zwar nicht, aber unangenehm ist es auf jeden Fall. Die Amerikanerin Pam Green, die für die TV-Show «Fear Factor» Zitteraale berührte, beschreibt die Empfindung als «höllische Schmerzen», in etwa so, als würde man in eine Steckdose fassen. Entweder verbringt der Zitteraal sein ganzes Leben mit solchen Schmerzen, was nicht ausgeschlossen ist, oder er hat noch irgendeinen Trick auf Lager.
    Die Zitteraalliteratur weiß offenbar keine Antwort. Spezielle Untersuchungen zu diesem Problem, so Ángel Caputi, Neurobiologe aus Uruguay, im amerikanischen Wissenschaftsmagazin «Scientific American», seien ihm nicht bekannt.

[zur Inhaltsübersicht]
    Das Unwissen von 2007
    Science moves but slowly slowly, creeping on from point to point.
    Alfred Tennyson
    Während der Arbeit am ersten «Lexikon des Unwissens» in den Jahren 2006 und 2007 dachten wir unruhig darüber nach, wie viel Zeit zwischen Textabgabe und Buchveröffentlichung verstreicht, nämlich fast ein halbes Jahr. Mehr als genug Zeit für die Wissenschaft, so vermuteten wir, um alle im Buch enthaltenen Probleme zu lösen. Und wenn das Buch nicht schon bei seinem Erscheinen überholt sein würde, dann doch vermutlich wenige Wochen danach.
    Fünf Jahre später sind fast alle der 42 Fragen aus dem «Lexikon des Unwissens» noch offen. Als besonders robustes Unwissen erwiesen sich die folgenden dreizehn Themen, zu denen es überhaupt nichts Neues aus der Forschung zu berichten gibt: Sexuelle Interessen, Rattenkönig, Geld, Laffer-Kurve, Herbstlaub, Anästhesie, Einemsen, Weibliche Ejakulation, Erkältung, Menschliche Körpergröße, Unangenehme Geräusche, Trinkgeld und der Stern von Bethlehem.
    Geklärt

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