Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
Vom Netzwerk:
nützliche Information, aber wie warm es tatsächlich an einem bestimmten Julitag in München sein wird, weiß man immer noch nicht. Dafür braucht man einen Wetterbericht, was der Erdbebenvorhersage entspricht. Während Prognosen langfristige Trends wiedergeben (so etwas wie ein «Klima» für Erdbeben), sagt einem die Vorhersage exakt, was in der nahen Zukunft passieren wird. Wenn sie funktioniert.
    In einer Angelegenheit sind sich Erdbebenexperten weitgehend einig: Die eine Art Vorhersage, die Prognose, funktioniert ganz gut, die andere jedoch nicht. Prognosen sind aber schon mal nicht schlecht. Im einfachsten Fall sieht man nach, wie viele Erdbeben es in der Vergangenheit in einer Region gegeben hat; je mehr, desto größer ist die Gefahr in der Gegend. Die Prognosen werden besser, wenn man außerdem nach zeitlichen und räumlichen Mustern in den Erdbeben der Vergangenheit sucht und diese Muster interpretiert. Die meisten Beben ereignen sich in der Nähe der Spalten zwischen den Erdplatten, zum Beispiel an der Westküste Amerikas, wo mehrere Platten zusammenstoßen. Nach einem starken Erdbeben treten Nachbeben auf, deren mittlere Stärke über viele Jahre einigermaßen geordnet abfällt. Außerdem sind die Erdbebenstärken nicht zufällig verteilt; für jedes starke Erdbeben gibt es eine viel größere Anzahl schwächere. Diese ganzen Erkenntnisse werden in komplizierte Modelle eingebaut, die am Ende eine Prognose ausspucken.
    Abgesehen von diesen schönen empirischen Daten kann man sich Gedanken darüber machen, was die Erdbeben auslöst. Erdbeben entstehen, wenn die Spannungen in der Erdkruste zu groß werden. Nach einem starken Erdbeben sollte daher erst mal Ruhe herrschen. Oder umgekehrt: War es in einer Region lange Zeit ruhig, wird es dort in naher Zukunft rumpeln. Wenn die Spannungen in der Kruste sich gleichmäßig aufbauen und die Erdkruste überall gleich viel aushält, dann sollte man starke Erdbeben in einer bestimmten Zone in einigermaßen regelmäßigen Abständen erwarten.
    Diese Idee von der «Erneuerung» der Spannungen in der Erdkruste ist weit verbreitet und hat auch zu ein paar erfolgreichen Vorhersagen geführt, ist aber nicht unumstritten. Einige Experten behaupten sogar das genaue Gegenteil: Erdbeben treten nicht schön getrennt voneinander auf, sondern versammeln sich wie Schaulustige bei einem Verkehrsunfall. Daher ist nach einem großen Beben die Wahrscheinlichkeit für ein weiteres großes Beben höher als vorher, genau andersherum als bei der Erneuerungsvariante. Diese zwei Theorien mögen gegensätzlich klingen, aber sie haben beide ihre Berechtigung, weil sich die Erdkruste manchmal so, manchmal so verhält. Ab und zu macht sie auch etwas vollkommen anderes.
    Ein gutes Beispiel für die Unzuverlässigkeit der Erde sind die Beben von Parkfield, einem winzigen Dorf in Kalifornien mit knapp 20 Einwohnern. Bekannt ist Parkfield, weil es direkt an der San-Andreas-Verwerfung sitzt, der Stelle, an der die nordamerikanische und die pazifische Platte sich gegeneinander verschieben, die eine will nach Süden, die andere nach Norden. Parkfield ist die am besten untersuchte Erdbebenzone der Welt und wurde zum Testfall für die Erneuerungsszenarien. Seit 1857 gab es in der Region regelmäßige Erdbeben der Stärke 6 in Abständen von etwa 22 Jahren. Nach dem Beben von 1966 hätte man das nächste eigentlich 1988 erwartet oder zumindest nur ein paar Jahre später. Ein großangelegtes Experiment wurde in Gang gesetzt. Ganze Armeen von Geologen begaben sich mit ihren Messapparaten nach Parkfield, um das prognostizierte Erdbeben zu untersuchen. Man wartete und wartete, man sammelte eine Menge nützlicher Daten, aber das Beben kam nicht. Beziehungsweise kam es erst 2004, also 15 Jahre zu spät.
    Für eine anständige Vorhersage reicht das alles nicht. Man will nicht jahrelang die Züge anhalten, die Autobahnen sperren und die Hochhäuser räumen. Man muss irgendetwas finden, das unzweifelhaft darauf hindeutet, dass es an einem bestimmten Punkt auf der Erde gleich rumpeln wird, also in wenigen Stunden oder Tagen oder Wochen – einen direkten Vorläufer des Erdbebens. Über die Jahre sind viele verschiedene Vorläufererscheinungen vorgeschlagen und untersucht worden, unter anderem Lichterscheinungen, elektrische Ströme im Boden, Radiosignale, Veränderungen in der Atmosphäre, Wärmestrahlung. Keine einzige ist bis heute allgemein akzeptiert.
    Eine praktische Sache wären kleinere Erdbeben vor dem

Weitere Kostenlose Bücher