Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
hinschaut. Zum ersten Mal publiziert wurde es von zwei unabhängigen und überwiegend amerikanischen Teams in den Jahren 1998 und 1999. Die Daten sahen zwar noch nicht sehr überzeugend aus, aber seitdem wurde das Ergebnis mehrfach überprüft, mit besseren Messungen und mehr Supernovas mit Entfernungen von bis zu 8 Milliarden Lichtjahren. Das Ergebnis war immer dasselbe. Das Universum expandiert wirklich immer schneller.
Mittlerweile können wir auch besser abschätzen, wie viel von dieser Dunklen Energie es im Weltall geben muss. Nehmen wir einmal die gesamte Materie im Universum, und zwar sichtbare und dunkle. Diese Materie hat zusammengenommen eine gewisse Gravitationsenergie, und zwar ziemlich viel. Dunkle Energie gibt es jedoch dreimal so viel. Mit anderen Worten: Etwa 70 Prozent des Universums sind Dunkle Energie, und weitere 25 Prozent sind Dunkle Materie. Die gewöhnliche Materie mit Protonen, Kolibris und Schuhschränken macht weniger als 5 Prozent aus und ist in Wahrheit nicht gewöhnlich, sondern äußerst exotisch.
Die angemessene Reaktion angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten ist eine Gedankenblase, in der «…» steht, gefolgt von einer mit «???», was ungefähr den Stand der Forschung charakterisiert. Während die beobachtenden Astronomen noch damit beschäftigt waren, die Dunkle Energie genau auszumessen, haben sich Theoretiker damit befasst, mögliche Erklärungen für das seltsame Zeug vorzuschlagen. Alle Erklärungen sind höchst abstrakt und bizarr. Hier nur drei zur Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Eine Möglichkeit wäre, dass leerer Raum eine Art Energie mit sich herumträgt. «Raum» heißt hier nicht so etwas Konkretes wie «Wohnzimmer», sondern eher so etwas wie die dreidimensionale Bühne, auf der sich die gesamte Physik abspielt. Diese Energie tauchte zum ersten Mal in Albert Einsteins Gleichungen zur Beschreibung des Universums auf, und zwar als großes Lambda – die «kosmologische Konstante». Einstein selbst schaffte Lambda später wieder ab, aber er konnte ja nicht ahnen, was die Kollegen 70 Jahre nach ihm beim Herumspielen mit Supernovä herausfinden würden. Man kann auch erklären, woher diese Energie kommt, und zwar (auf komplizierte Weise) mit Hilfe der Heisenberg’schen Unschärferelation. Einziges Problem: Die Quantenphysik behauptet auch, dass diese Art Energie 10 120 -mal (eine 1 mit 120 Nullen) größer sein müsste als das, was man als Dunkle Energie tatsächlich misst. Experten scherzen, es handle sich um die «schlechteste Vorhersage in der Geschichte der Physik».
Es könnte aber auch etwas anderes sein, zum Beispiel ein spezielles neuartiges Energiefeld, das sich überall im Weltall befindet und das immerhin schon mal einen Namen hat, es heißt «Quintessenz». Felder sind nichts Ungewöhnliches in der Physik, die Anwesenheit einer elektrischen Ladung erzeugt zum Beispiel ein elektrisches Feld. Das Feld selbst ist unsichtbar, aber bringt man eine zweite Ladung hinein, dann wird sich ihr Verhalten nach dem vorhandenen Feld richten. Die Quintessenz wäre natürlich kein elektrisches Feld, sondern irgendetwas anderes; was, weiß niemand so recht. Im Unterschied zur kosmologischen Konstante, die überall, wie der Name sagt, konstant sein müsste, darf die Quintessenz sich in Raum und Zeit verändern, was man eventuell beobachten könnte.
Eine brandneue Theorie, die nicht nur Dunkle Energie, sondern auch die Dunkle Materie erklärt und damit zwei lästige Probleme auf einmal erledigt, handelt von «Dark Fluid» (dunkler Flüssigkeit). Beides zu vereinen klingt schwierig, weil Dunkle Energie, wie oben erklärt, so etwas wie Anti-Schwerkraft ist, während Dunkle Materie genau wie normale Materie der normalen Schwerkraft unterliegt. Dark Fluid wäre wieder ein Feld, das in der Theorie so eingerichtet ist, dass es beides kann. Es treibt die Expansion des Universums an, ein Effekt, der nur über Entfernungen von Milliarden von Lichtjahren wirksam ist. Betrachtet man wesentlich kleinere Entfernungen, kann Dark Fluid zusammenklumpen und sich dann verhalten wie normale Materie. Um nochmal den Hefeteig ins Spiel zu bringen: Dark Fluid wäre Hefe, die beim Zubereiten des Teigs nicht ordentlich verrührt worden ist. Zwar lässt sie den Teig als Ganzes ordnungsgemäß expandieren, aber an einigen Stellen bleiben Klumpen zurück.
Kosmologische Konstante, Quintessenz, Dark Fluid, alles schön und gut, aber was passiert nun mit dem Weltall in der Zukunft? Nach
Weitere Kostenlose Bücher