Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
gefährlich sein kann, zeigte eine Gruppe von Forschern im Jahr 2009. Sie legten einen toten Lachs in den Magnetscanner und zeigten der Fischleiche Abbildungen menschlicher emotionaler Interaktionen, ein an menschlichen Probanden in der Psychologie häufiger eingesetztes experimentelles Protokoll. «Der Lachs wurde gebeten, sich über die von der Person im Bild empfundene Emotion klarzuwerden.» Ob der tote Lachs das gemacht hat oder nicht, ist natürlich schwer zu sagen – man vermutet, dass tote Lachse dergleichen nicht können –, der Punkt der Studie war aber, dass mit zwar laxen, aber durchaus verbreiteten Analysemethoden ein Aktivitätszentrum gefunden wurde, «im Innern des Lachskopfs», wie die Autoren lakonisch bemerken. Sie zeigen allerdings auch, dass bei Anwendung der korrekten Statistik kein solcher Unfug herauskommt und der tote Fisch auch im Hirnscan tot aussieht.
Aber selbst wenn wir solche statistischen Feinheiten außer Acht lassen: Wenn über den Verlauf eines Experiments hinweg in einem Gehirnareal immer dann das BOLD-Signal fällt oder steigt, wenn ein bestimmter Stimulus gezeigt wird, dann wird daraus gefolgert, dass dieses Areal für die Verarbeitung solcher Stimuli wichtig sein muss. Zusätzlich suggerieren Abbildungen, die rotglühende Aktivitätszentren auf Gehirnen zeigen, auch, dass der dunkle Rest nicht beteiligt ist. Aber es sollte klar geworden sein, dass beide Annahmen mit Vorsicht zu genießen sind: Ändert sich zum Beispiel nur die Art, wie ein Areal Reize verarbeitet, aber nicht der Aufwand, den es dazu betreiben muss, wird es in einem BOLD-Bild nicht auftauchen.
Ob die Neuronen unter dem roten Klecks mehr gefeuert haben oder weniger oder ob vielleicht die Astrozyten ihre Tentakel im Spiel haben, ist auch weit weniger klar, als die Abbildung vortäuschen mag. Aber Kleckse sind verführerisch. 2008 veröffentlichten David McCabe und Alan Castel die Ergebnisse einer Studie, in der sie Studenten wissenschaftliche Artikel vorlegten, einmal mit und einmal ohne Abbildungen von farbigen Aktivitätsmustern auf Gehirn. Obwohl das Dargestellte keinerlei Beweiskraft hatte, bewerteten die Studenten den Artikel als deutlich überzeugender, wenn die Gehirnabbildung daneben zu sehen war: Brain sells .
Das alles heißt nun natürlich nicht, dass fMRT Humbug ist. 2008 wurde im Labor von Jack Gallant in Berkeley eine Studie durchgeführt, in der Probanden eine Reihe von Bildern zu sehen bekamen, während sie im MRT-Gerät lagen. Die gemessenen Daten verwendeten die Forscher zur Anpassung eines Computermodells. Sie zeigten den Probanden dann eins von 120 zuvor nicht gesehenen Bildern, und das Modell konnte aus dem dabei aufgezeichneten fMRT-Signal – das der Gehirnaktivität des Probanden entspricht – mit bis zu 90-prozentiger Treffsicherheit bestimmen, um welches Bild es sich handelte. Mit anderen Worten, dieses Modell kann aus der gemessenen Gehirnaktivität ermitteln, was Menschen sehen. So nah waren wir echtem Gedankenlesen tatsächlich noch nie.
Dennoch sollte man im Hinterkopf behalten, dass wir auch nach 15 Jahren intensiver Forschung nur eine ungefähre Vorstellung davon haben, worauf dieser Erfolg eigentlich beruht, und dass die bunten Bilder in die Irre führen können. Wenn dann in ein paar Jahren die Maschinen per Gedankenkontrolle die Macht übernehmen, wird man wenigstens wissen, was für eine tolle Leistung das ist.
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Hot Hand
When those guys get in a zone like that, man, there’s no defense for them.
Avery Johnson, ehemaliger Basketballprofi und -trainer
Für die Freunde statistischer Feinheiten war der 6. Juni 2010 ein denkwürdiger Tag. Der Basketballprofi Ray Allen traf in einem Finalspiel der amerikanischen National Basketball Association sieben Dreipunktwürfe in Folge, acht im gesamten Spiel, und stellte damit einen neuen Rekord auf. Drei Punkte gibt es nur dann für einen Wurf, wenn er außerhalb einer Linie stattfindet, die sich in ungefähr sieben Metern Entfernung vom Korb befindet, der «Dreierlinie». Ein guter Schütze wie Allen trifft aus dieser Entfernung in Spielsituationen etwa 40 Prozent seiner Würfe, also bei zwei von fünf Versuchen. Im statistischen Mittel benötigt er 17,5 Würfe für sieben Treffer. An diesem besonderen Abend im Juni 2010 brauchte er nur sieben.
In solchen Fällen reden Sportfans und -journalisten von einer «heißen Hand» («hot hand») – der Spieler ist «in the zone» oder «on a roll» oder «in a
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