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Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
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ab, was vorher passiert ist. Die heiße Hand, so Gilovich und Co., gibt es nicht.
    Dieses Ergebnis war für die Sportwelt so erschütternd, dass es eine ganze Reihe von Nachfolgestudien auslöste. Bis zum Jahr 2006 findet man 24 wissenschaftliche Artikel, die sich mit dem Thema befassen. 13 argumentieren gegen die heiße Hand, 11 dafür. Sieht man sich die Artikel etwas genauer an, dann fällt auf, dass die Beweise für die Existenz der heißen Hand zumindest im Basketball meist anekdotischer Natur und überhaupt ziemlich dünn sind. Das hat unter anderem damit zu tun, dass es schwieriger ist, etwas zu finden, als etwas nicht zu finden. Außerdem ist Basketball ein hochkomplizierter Sport: Die Erfolgschancen beim Werfen auf den Korb hängen nicht nur von der Treffsicherheit des Spielers ab, sondern auch von der Entfernung zum Korb, von der speziellen Spielsituation (ein Wurf nach Dribbeln ist oft schwieriger als einer nach einem Zuspiel) und von dem, was die gegnerische Mannschaft so treibt. All diese Dinge könnten das Auffinden der heißen Hand, wenn es sie denn geben sollte, verhindern.
    Andere Sportarten eignen sich eventuell besser für diese Art Forschung. Beim Tennis gibt es immerhin nur zwei Spieler, nicht zehn. Eine Analyse der Spieldaten der Turniere in Wimbledon von 1992 bis 1995 erbrachte ein interessantes Ergebnis: Wenn ein Spieler einen Punkt macht, sind beim nächsten Ballwechsel seine Chancen auf Erfolg um 0,3 Prozent erhöht, verglichen mit der statistischen Erwartung. Es geht auch umgekehrt: Verliert ein Spieler einen Punkt, so senkt das im nächsten Ballwechsel seine Erfolgschancen um 0,4 Prozent. Ein kleiner Effekt, aber immerhin genau das, was man bei einer heißen Hand erwarten sollte.
    Noch besser wären Sportarten, wo wirklich bei jedem Versuch alle Voraussetzungen exakt gleich bleiben. Ein Beispiel ist die schöne Disziplin des Hufeisenwerfens, populär vor allem in Nordamerika. Ziel ist es, ein Hufeisen entweder auf oder wenigstens in die Nähe eines Stabes zu werfen. Die Resultate der Weltmeisterschaften 2000 und 2001 zeigen, dass der Erfolg beim Hufeisenwerfen davon abhängt, wie die vorherigen Würfe ausgingen. Die Hufeisenwerfer haben offenbar heiße und kalte Phasen. Also doch.
    Aber auch im Basketball ist noch nicht das letzte Wort in der Angelegenheit gesprochen beziehungsweise geworfen. Im Jahr 2010 veröffentlichte der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Jeremy Arkes eine neue Studie. Er analysierte nicht die normalen Würfe, die aus dem Spiel heraus erfolgen, sondern Freiwürfe, die man nach einem Foulspiel zugesprochen bekommt. Beim Freiwurf ist die Entfernung zum Korb immer gleich, und es steht kein Gegner im Weg. Außerdem treten sie in fast allen Fällen paarweise auf – ein normales Foul ist zwei Würfe wert. Arkes analysierte etwa 65 000 Freiwürfe und fand heraus, dass die Trefferwahrscheinlichkeit beim zweiten Wurf fast 3 Prozent höher ist, wenn man beim ersten getroffen hat – ein klarer Hinweis auf die Hot Hand, wie er meint. Kritiker wenden ein, dass Freiwürfe wirklich nichts mit der heißen Hand zu tun haben, schließlich liegt die Trefferwahrscheinlichkeit bei diesen Würfen sowieso schon über 70 Prozent, und noch nie habe man davon gehört, jemand sei «heiß» an der Freiwurflinie.
    Die bisher umfangreichste Untersuchung dieses Themas stammt aus dem Jahr 2009 und wurde von John Huizinga, Ökonom an der Universität in Chicago, und dem Sportwissenschaftler Sandy Weil vorgestellt. Grob gesagt haben sie das Gleiche gemacht wie Gilovich und Co. 24 Jahre zuvor, nur dank Internet und elektronischer Datenverarbeitung mit viel mehr Zahlen. Statt ein paar tausend Würfe wie Gilovich analysierten sie knapp eine Million. Das erste wichtige Ergebnis: Nach einem Treffer ist die Trefferwahrscheinlichkeit beim nächsten Wurf nicht höher, wie man bei einer heißen Hand erwarten würde, sondern um einige Prozent niedriger . Vorsichtig folgern Huizinga und Weil, dass es die heiße Hand im Basketball zwar geben könnte, aber es gibt keine Beweise dafür – die Abwesenheit von Beweisen ist kein Beweis der Abwesenheit.
    Ein zweites Ergebnis dieser Studie ist womöglich für Sportler wichtiger: Treffer beeinflussen das nachfolgende Verhalten von Spielern. Insbesondere nimmt die Neigung zu, schwierigere Würfe zu versuchen. Weil man bei schwierigeren Würfen seltener trifft, senkt das die Trefferwahrscheinlichkeit. Warum tun die Spieler das? Die Antwort auf diese Frage steckt

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