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Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
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groove». Es gibt nicht nur heiße Hände, sondern auch alle möglichen anderen Temperaturen, ein Spieler kann rot oder weiß glühend oder eiskalt sein, er kann sich aufheizen oder abkühlen. Die Begriffe existieren nicht nur im Basketball, sondern in allen anderen Sportarten, bei denen sich bestimmte Abläufe oft wiederholen. Die Implikation solcher Redeweisen ist immer dieselbe: Man möchte ausdrücken, dass der Spieler einen mentalen Zustand erreicht, in dem Erfolg praktisch garantiert ist. Sportler selbst reden von der heißen Hand, weil sie das Phänomen erlebt haben. Sie gerieten in Situationen, wo sie machen konnten, was sie wollten, der Ball ging immer ins Netz. Oder in der Sprache der Siegerinterviews: «Der Korb war so groß wie das Meer.»
    Vom Basketball zu etwas ganz anderem: Bei einem Münzwurf erwartet man in der Hälfte aller Fälle, dass der Kopf oben erscheint, in der anderen Hälfte Zahl. Das gilt aber nur, wenn man sehr oft wirft; bei kleinen Stichproben können Kopf und Zahl auch sehr ungleichmäßig verteilt sein. Mehr noch: Obwohl es sich um einen rein zufälligen Prozess handelt, produziert die Münze reine Kopf- oder Zahlserien, umso längere, je mehr man wirft. Schon bei 20 Versuchen gibt es eine fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit, viermal in Folge Kopf (oder Zahl) zu werfen. Und in einer Serie aus 100 Versuchen erhält man in etwa einem Drittel aller Fälle eine Serie aus siebenmal in Folge Kopf (oder Zahl). Ray Allen hat in den 16 Jahren seiner Profikarriere insgesamt mehr als zweieinhalbtausendmal von der Dreierlinie geworfen.
    Wenig wahrscheinliche Ereignisse passieren, nur eben nicht besonders häufig. Es ist auf den ersten Blick überraschend, dass erst in den 1980ern jemand auf die Idee kam, nachzusehen, ob es abgesehen von solchen zufälligen Serien auch noch das Phänomen der «heißen Hand» gibt – also eine Folge von Treffern, die nicht durch Zufall, sondern durch eine besondere Leistung des Sportlers verursacht wird. Auf den zweiten Blick ist es dann wieder nicht so überraschend – wenn jemand gut mit Zahlen umgehen kann, wird er normalerweise nicht Profisportler und umgekehrt, weswegen man im Umfeld von Sportveranstaltungen nicht gerade häufig auf Statistikfreaks trifft. Das hat sich in den letzten Jahren ein wenig geändert, nachdem der amerikanische Autor Michael Lewis 2003 in seinem Bestseller «Moneyball» demonstrierte, wie sich statistische Analysen zur Erfolgsmaximierung im Baseball einsetzen lassen. Seitdem halten sich viele Clubs ihren hauseigenen Nerd, der mit Sportstatistiken jongliert, ein Forschungszweig, der mittlerweile «Sabermetrics» heißt (abgeleitet von SABR, der Abkürzung für «Society for American Baseball Research») – proklamiert als die Suche nach «objektivem Wissen» im Sport.
    Wer in Diskussionen über Sport mit statistischen Argumenten ankommt, der wird in der Regel den Ratschlag hören, er solle sich doch lieber die Spiele ansehen. «Die Wahrheit liegt auf dem Platz», wie Fußballtrainer Otto Rehhagel einst sagte. Vielleicht nicht auf dem Platz, aber doch in den Köpfen der Spieler, die in den Zuständigkeitsbereich der Psychologie fallen. Dort gibt es den schönen Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung: die Überzeugung, bestimmte Handlungen erfolgreich umsetzen zu können, ein Konzept, das vor mehr als 30 Jahren vom Psychologen Albert Bandura entwickelt wurde. Zum einen wird die Selbstwirksamkeitserwartung durch Erfolgserlebnisse erhöht, zum anderen führt hohe Selbstwirksamkeitserwartung wiederum eher zum Erfolg. Oder ohne extrem lange Wörter ausgedrückt: Psychologen würden auf der Grundlage von Banduras Theorie die Existenz der heißen Hand erwarten.
    Aber gibt es sie nun oder nicht? Im Jahr 1985 veröffentlichten die drei Psychologen Thomas Gilovich, Robert Vallone und Amos Tversky die erste wissenschaftliche Arbeit zum Thema. Zunächst führten sie eine Umfrage durch: 91 Prozent der Fans meinen, dass ein Spieler eine bessere Chance auf einen Korberfolg hat, wenn er direkt vorher ein paarmal getroffen hat. Das ist genau der erwartete Glaube an die heiße Hand. Bei rein zufälligen Ereignissen wäre die Chance auf Erfolg bei jedem Wurf gleich, egal, ob man vorher getroffen hat oder nicht. Dann testeten Gilovich und Kollegen die Hot-Hand-Hypothese mit echten Daten aus Basketballspielen, unter anderem an 3800 Würfen aus 48 Spielen der Philadelphia 76ers. Das Resultat: Die Erfolgschancen für einen Treffer hängen nicht davon

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