Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
selbst entdeckt und beantwortet hat, hat dabei tiefe Einsichten in die Natur des Universums erhalten und ist der Erlösung durch Weisheit einen guten Schritt nähergekommen. Wem die Frage hier zum ersten Mal begegnet, der hat seine Chance auf Erlösung leider verspielt und muss auf die Antwort noch bis zum Ende des Beitrags warten. Na ja, es gibt Schlimmeres.
Die Lechts-rinks-Schwäche zum Beispiel, eine kuriose psychologische Störung, an der Umfragen zufolge zwischen 20 und 30 Prozent der Bevölkerung zumindest zeitweise leiden und die kurzzeitig oder dauerhaft zu Verwirrungen darüber führt, an welcher Hand der Daumen links ist (es ist die rechte). Sie hat mit dem Spiegelproblem gemein, dass sie nur links und rechts betrifft und nicht auch oben und unten, ist aber für Betroffene in der Regel deutlich lästiger als ein Spiegel. Das kann jeder bestätigen, der schon mal Fischmesser (rechts) mit Fleischgabel (links) verwechselt hat.
Was bei der Richts-lenks-Schwäche eigentlich kaputt ist im Kopf, weiß die Hirnforschung bislang nicht so genau. Das liegt zum Teil daran, dass die Forscher schon gar nicht so genau wissen, wie die Unterscheidung von links und rechts eigentlich normalerweise funktioniert. Viel von unserem Wissen über die normale Funktion des Gehirns hat die Wissenschaft paradoxerweise aus Läsionsstudien gelernt, also aus kaputten Gehirnen. Eins der berühmtesten gehörte dem Gleisarbeiter Phineas Gage, dem bei einem Unfall eine Metallstange durch die Stirn getrieben wurde und der sich daraufhin seltsam verhielt. Die zusehenden Gleisarbeiter haben vermutlich die Achseln gezuckt und gesagt: «Wenn mir eine Stange durch die Stirn flöge, benähme ich mich auch seltsam», und weiter am Gleis gearbeitet. Hirnforscher aber schlossen aus dem Vorfall, dass der beschädigte Stirnlappen für die Dinge zuständig gewesen sein muss, die Gage nach dem Unfall schlechter konnte als vorher, nämlich Zukunftsplanung und verantwortliches Handeln. Mit diesem schönen Kniff hat die Neurowissenschaft über die Jahrzehnte anhand von Unfallopfern und Schlaganfallpatienten eine lange Liste von Hirnregionen gesammelt, deren Beschädigung spezifische Ausfälle verursacht.
Lästig an der Methode war nur, dass man immer warten musste, bis mal jemandem was Interessantes passiert. Das änderte sich Mitte der 1980er Jahre, als eine britische Forschergruppe in Sheffield erstmalig gezielt mit Magnetfeldern auf Köpfe schoss. Mit Hilfe einer magnetischen Spule, die in der für Handbewegungen zuständigen Region gegen den Kopf gehalten wurde, konnte die Gruppe Handbewegungen auf der gegenüberliegenden Körperseite auslösen (→Rechts und links). Man stellt sich das so vor, dass die Magnetfelder im drunterliegenden Gehirn elektrische Felder erzeugen, die die zuständigen Gehirnzellen dazu bringen, Signale auszusenden, obwohl sie selbst das gar nicht wollen. Der so magnetisch angefeuerte Mensch hat übrigens den Eindruck, dass sich seine Hand ohne sein Zutun bewegt hat.
In den darauffolgenden Jahren wurde diese Methode, die man transkranielle Magnetstimulation, oder kurz TMS, nennt, weiterentwickelt, und heutzutage lassen sich nicht nur Gehirnregionen per Magnetpuls zur Aktivität anregen, sondern auch im Rahmen sogenannter «virtueller Läsionen» zeitweise ausknipsen. Dass man nicht genau weiß, was dabei eigentlich mit den Neuronen passiert oder wie lange die Effekte anhalten, stört die Anwender nicht weiter, und die Kritiker kann man praktischerweise mit einem Magnetpuls über dem Sprachzentrum zum Verstummen bringen – oder eben mit dem Hinweis, dass es nicht so furchtbar wichtig ist, wie die magnetischen Pulse das Gehirn verändern, sondern dass sie es tun und was dann passiert.
Mit dieser magnetischen Schrotflinte hat man nun Probanden virtuelle →Löcher in die Großhirnrinde geschossen, da, wo Hinterhaupts-, Schläfen- und Scheitellappen zusammentreffen, eine Ortsbeschreibung so zauberhaft schön, man möchte sie gleich nochmal hinschreiben. Und dieser Magnetbeschuss im Dreilappeneck führt tatsächlich zu einer vorübergehenden Renks-lichts-Schwäche, allerdings ironischerweise vorwiegend, wenn der Beschuss auf einer der beiden Kopfseiten erfolgte: Die Neigung, rechts und links zu velwechsern, wohnt selbst eher auf der rechten Seite des Gehirns und findet deshalb vermutlich abends öfter mal nicht nach Hause.
Das führt gradewegs zu einem weiteren ungeklärten Rechts-links-Problem, der Lateralität der menschlichen
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