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Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
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200 Milliarden Dollar führen», heißt es in einem Bericht über die Veranstaltung. Sponsor war das Carlsbader Waste Isolation Pilot Plant , ein Endlager für radioaktive Abfälle. Die Überzeugungskraft der Ergebnisse eines so finanzierten Labors wäre voraussichtlich bescheiden. Bis jemandem eine bessere Lösung einfällt, darf sich also weiterhin jeder nach Belieben in radioaktivem Badewasser räkeln, sich Sorgen über die Auswirkungen entfernter Reaktorunglücke machen oder beides.

[zur Inhaltsübersicht]
    Rechts und links
    Die nächste Frage ist, was passiert, wenn zwei Betrachter in ein und denselben Spiegel schauen, als hätten sie sich zufällig gleichzeitig an diesem Ort zusammengefunden; dann aber der eine plötzlich den Kopf um 90 Grad dreht, sodass der Spiegel keine Zeit hat, darauf zu reagieren? Diese Frage konnte ich nicht abschließend klären. Außerdem glaube ich, dass die Spiegel hier im Haus durch mein Gebaren mittlerweile gewarnt sind und sich Strategien zurechtgelegt haben könnten.
    Wolfgang Herrndorf
    Zu den großen Fragen der Menschheit gehört – neben «Warum vertauscht ein Spiegel links und rechts, nicht aber oben und unten?» und «Warum bekommen Wale so selten Krebs?» – auch die Frage nach der Drehrichtung von Milchsäuren. Na gut, dass das eine große Frage ist, war gelogen. Viele Menschen wissen nicht mal, dass Milchsäuren eine Drehrichtung haben. Aber immerhin: Eine Frage ist es, und sie wurde schon von Menschen gestellt. Gerade eben zum Beispiel, im vorvorletzten Satz.
    Um zu verstehen, was eine Drehrichtung mit Milch zu tun hat – die sich ja selbst nicht dreht, es sei denn, man rührt sie um –, muss man einen kleinen Blick in die Physik werfen: Licht, das sich bekanntlich wie eine Welle verhält, sofern es sich nicht gerade wie ein Teilchen verhält, lässt sich mit geeigneten Werkzeugen willig polarisieren. Man kann sich das so vorstellen, dass alle Wellen in einem polarisierten Lichtstrahl dann in derselben Ebene schwingen. Schickt man so einen polarisierten Lichtstrahl jetzt durch eine Lösung mit Milchsäuremolekülen drin, dann dreht sich diese Polarisationsebene ein Stück, und je nach der Richtung dieser Drehung spricht man bei einer Drehung im Uhrzeigersinn von rechts-, bei einer Drehung im Gegenuhrzeigersinn von linksdrehenden Milchsäuren.
    Jetzt könnte man natürlich denken, dass die Drehrichtung egal ist, solange nur genug Gutes in der Milch steckt, aber man würde sich irren, wenn man so dächte. Obwohl nämlich die rechts- und linksdrehenden Versionen der Milchsäure tatsächlich den gleichen Molekülaufbau haben, das heißt, aus den gleichen Atomen in der gleichen Kombination bestehen, wird die rechtsdrehende vom menschlichen Organismus deutlich schneller abgebaut und verdaut. Praktischerweise enthält die Milch von Säugetieren beinahe ausschließlich diese rechtsdrehende Form, nur die von Pflanzen und bei bakterieller Gärung produzierte Milchsäure kommt zu gleichen Teilen in beiden Varianten vor.
    Dieses sonderbare Ungleichgewicht zwischen rechts- und linksdrehenden Varianten findet man nicht nur bei der Milchsäure, sondern auch bei einer Vielzahl anderer biologischer Moleküle, ohne dass ein nachvollziehbarer Grund dafür erkennbar wäre. Aber bringen wir erst mal ein bisschen Ordnung in den ganzen Wirrwarr. Welche Eigenschaft muss ein Molekül haben, damit es überhaupt solche Varianten von ihm geben kann?
    Die Antwort lauert in der Mathematik, genauer gesagt lauert sie in einem Mathematikzweig namens Gruppentheorie, in der es – Mathematiker hören jetzt bitte weg – hauptsächlich um Symmetrien geht. Die spezielle Symmetrie, die im Zusammenhang mit der Händigkeit von Molekülen wichtig ist, ist die Drehspiegelachsensymmetrie. Ein Objekt ist drehspiegelachsensymmetrisch, wenn man es nach der Spiegelung an einer Ebene durch eine Kombination aus Rotation und Verschiebung wieder aussehen lassen kann wie vorher. Das klingt erst mal sehr abstrakt, bedeutet aber einfach Folgendes: Wenn das Spiegelbild des Objektes, egal, wie man es dreht oder wendet, nicht wieder aussieht wie das Objekt selbst, dann hat das Objekt keine Drehspiegelsymmetrie. Was das im Alltag bedeutet, wissen zum Beispiel Menschen, die Schwierigkeiten haben, den richtigen Schuh für den richtigen Fuß zu finden: Man kann mit dem rechten tun, was man will, es wird kein linker Schuh draus.
    Die beiden Spiegelvarianten eines Moleküls, das derart asymmetrisch ist, heißen Enantiomere, und

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