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Das neue Philosophenportal

Das neue Philosophenportal

Titel: Das neue Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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Ausschaltung jeglicher Farbenvielfalt, und schuf ein »weißes Quadrat auf weißem Feld«. Ebenso bewegt sich die Musik
     des estischen Komponisten Arvo Pärt von allem Hörbaren weg auf die Stille zu. In den östlichen Weisheitslehren von Laotse
     bis Buddha gilt das »Leere« oder das »Nichts« als höchste Form der Erkenntnis. Doch es handelt sich hier keineswegs um den
     Versuch, unsere Erkenntnis- und Wahrnehmungsmöglichkeiten zu verengen. Im Gegenteil: Mit der Blickrichtung auf das Gestaltlose,
     die Leere oder das Nichts eröffnen sich für unsere Erkenntnis oft völlig neue, unentdeckte Räume.
    Auch in der Philosophie, die lange beansprucht hat, die höchste Form des Wissens zu repräsentieren, finden wir immer wieder
     Denker, die mit der provokanten These auftreten, dass das eigentliche Wissen im Bewusstsein des Nichtwissens besteht. Der
     bekannteste davon war Sokrates, einer der großen Gestalten der klassischen griechischen Philosophie, der mit dem Satz berühmt
     wurde: »Ich weiß, dass ich nichts weiß.« – »Und kaum das!«, fügte im 20.   Jahrhundert der Philosoph und Sokrates-Verehrer Karl Popper hinzu.
    Es blieb aber dem deutschen Kardinal Nikolaus von Kues vorbehalten, mit einem Werk über das Nichtwissen in der PhilosophiegeschichteFurore zu machen. Wie in der Tradition der mittelalterlichen Philosophie üblich, stellte er das Thema »Gott« und dessen Verhältnis
     zur Welt und zum Menschen in den Mittelpunkt des Buches. Doch bereits im Titel seines Hauptwerks,
De docta ignorantia
, zu Deutsch:
Die belehrte Unwissenheit
, deutet Nikolaus Cusanus, wie er in der latinisierten Form auch heißt, die scheinbar paradoxe Antwort an, die er auf die
     Frage nach einer möglichen Erkenntnis Gottes gibt.
    Für ihn steht Gott immer jenseits des Baus, den die menschliche Vernunft errichten kann. Das Wissen von Gott ist in Wahrheit
     ein Wissen des Nichtwissens: »Es wird einer umso gelehrter sein«, so Nikolaus im ersten Kapitel seines Buches, »je mehr er
     um sein Nichtwissen weiß.« Das »belehrte Nichtwissen« rückt die Erkenntnis Gottes in unerreichbare Ferne, doch der Blick hinter
     die Grenzen des Denkens erweitert gleichzeitig den Horizont unseres Blickes auf die Welt. Anders als für die Philosophen der
     mittelalterlichen Scholastik ist die Welt für Nikolaus kein überschaubarer Kosmos mehr. Als ein Abbild Gottes ist sie selbst
     unbegrenzt und bietet dem menschlichen Erkenntnisstreben unendlichen Raum. Damit stellt das »belehrte Nichtwissen« die Beziehung
     zwischen Gott, Welt und Mensch auf eine völlig neue Grundlage.
    Eine neue Weltsicht brach sich im europäischen 15.   Jahrhundert überall Bahn. Renaissance und Humanismus hatten in Italien, dem damals fortgeschrittensten europäischen Land,
     schon einhundert Jahre zuvor Fuß gefasst. Die Hinwendung zur Welt der Erfahrung und das Studium antiker Quellen sollten das
     Wissen neu fundieren. Nördlich der Alpen allerdings begann diese große kulturelle Veränderung erst sehr langsam zu greifen.
     Aber nicht nur deswegen musste Nikolaus einen langen Weg zurücklegen. Von der Herkunft ein deutscher Provinzler, von Stand
     ein Bürgerlicher, war es für ihn keineswegs selbstverständlich, an den großen Bildungs- und Reformbewegungen seiner Zeit teilzunehmen.
    Dass er studieren konnte, verdankte er seinem Vater Johann Kryffts, der es in dem kleinen Dorf Kues, zwischen Trier und Koblenz
     an der Mittelmosel gelegen, als Kaufmann zu erheblichem Wohlstand gebracht hatte. »Kryffts« bedeutet »Krebs«, und denKrebs sollte auch der später berühmte Sohn im Wappen führen. Johann Kryffts besaß ein eigenes Schiff, mit dem er seine Waren
     auf den damals bedeutendsten Verkehrswegen, den Flüssen, bis nach Holland oder den Rhein hinauf bis nach Basel transportieren
     konnte. Sein Vermögen erlaubte es ihm, seinen im Jahr 1401 geborenen Sohn Niklas mit fünfzehn Jahren an die junge Heidelberger
     Universität zu schicken.
    In Heidelberg wurde noch ganz im Geist der Scholastik unterrichtet und die christliche Lehre auf der Grundlage der Philosophie
     des Aristoteles interpretiert. Gott war die erste Ursache allen Geschehens und gleichzeitig der höchste und letzte Zweck,
     auf den die Ordnung der Welt ausgerichtet war. Er stand an der Spitze einer Hierarchie, in der alle Dinge, sei es in der Natur
     oder in der Gesellschaft, einen vorgegebenen Platz hatten. In dieser nach dem Bild des Feudalismus ausgerichteten Weltordnung
     war Gott für die

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