Das neue Philosophenportal
nach Hobbes in der Lage, den Bürger vor Willkür zu schützen. Wie das Meeresungeheuer Leviathan, von dem es am Ende
des alttestamentarischen Buches Hiob heißt: »Auf Erden ist nicht seinesgleichen; er ist ein Geschöpf ohne Furcht. Er sieht
allem ins Auge; er ist König über alle stolzen Tiere«, so muss der Staat sich als eine Macht erweisen, vor der sich alle beugen
müssen. Was dieses Buch jedoch zu einem der Basiswerke der politischen Philosophie der Neuzeit macht, ist die Art, wie Hobbes
sich die Konstitution, also die Grundlegung und Entstehung dieses Staates, vorstellt.
Der Italiener Niccolò Machiavelli hatte in seinem 1532 erschienenen Buch
Der Fürst
Politik als ein zum Zweck der Machterhaltung ausgeübtes Handwerk beschrieben und damit die im Mittelalter übliche Sicht in
Frage gestellt, Staat und Politik fänden ihre Begründung in der Herrschaft Gottes über die Welt. Obwohl Hobbes seine Theorie
durch zahlreiche Bezüge zur Bibel auch theologisch zu unterfüttern versucht, vollendet er in Wahrheit die Trennung von politischer
Philosophie und Theologie endgültig: Für ihn ist nicht nur die Politik, sondern ist auch der Staat selbst ganz und gar Menschenwerk,
nämlich das Ergebnis eines Vertrags, einer Vereinbarung zwischen den Bürgern. Damit wurde Hobbes gleichzeitig zum Begründer
der sogenannten »Vertragstheorie«, deren Einfluss bis in die Gegenwart reicht.
Trotz der Gefahren, die die unsicheren Zeiten auch für ihn persönlich mit sich brachten, schaffte es Hobbes, sich unbeschadet
durch die Grabenkämpfe der verfeindeten Parteien zu bewegen, ohne seine politischen Überzeugungen zu verleugnen. Geboren 1588,
in dem Jahr, in dem die englische Flotte die spanische Armada besiegte, starb er 1679 in dem für seine Zeit geradezu biblischen
Alter von 91 Jahren, als die Stuarts längst wieder auf den englischen Thron zurückgekehrt waren. Als Sohn eines westenglischen Landpfarrers
gehörte er jener Gesellschaftsschicht an, die zwar nicht Zugang zu den höchsten Ämtern hatte, der aber sehr wohl die Bildungsinstitutionen
und Kontakteoffen standen, die bis zum Hof reichen konnten. Aus ihr gingen nicht zufällig viele Intellektuelle hervor.
Auch Hobbes, der schon in jungen Jahren durch seine Kenntnis der lateinischen und griechischen Sprache glänzte, konnte in
Oxford studieren. Über dieses Studium zu Beginn des 17. Jahrhunderts, das von den neuen Erkenntnissen der Naturforschung noch ganz unberührt war, äußerte er sich später stets abfällig:
Es diene vor allem dazu, so schrieb er, staatstreue Pfarrer auszubilden. Als er mit zwanzig Jahren das Studium abschloss,
war von dem Philosophen Hobbes noch nicht viel erkennbar. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis er mit eigenen philosophischen
Schriften hervortrat.
Einen großen Teil seines Lebens verbrachte Hobbes als Tutor in adligen Familien, eine Stellung, die ihm einerseits genug Zeit
zum eigenen Studium ließ und ihm andererseits, als Begleiter seiner adligen Schützlinge, Gelegenheit zu Bildungsreisen gab.
Junge englische Adlige machten einmal im Leben die sogenannte »Grand Tour«, die in der Regel durch Frankreich, Italien und
die Schweiz führte und häufig mehrere Jahre dauerte. Hobbes begab sich mit verschiedenen Zöglingen dreimal, zwischen 1610
und 1613, zwischen 1628 und 1630 und schließlich zwischen 1634 und 1636, auf die Grand Tour. Auf diesen Auslandsaufenthalten
erhielt er entscheidende Anstöße für sein Denken.
Auf der ersten dieser Reisen wurde er 1610 Zeuge der Ermordung Henris IV. Hobbes entwickelte spätestens von diesem Zeitpunkt an die Überzeugung, dass die Hinrichtung des Herrschers, also des Souveräns,
gleichbedeutend mit der Absage an eine rechtliche Ordnung ist. Die unangreifbare Macht des Souveräns blieb deshalb ein Eckpfeiler
seiner politischen Theorie.
Auf seiner zweiten Europatour stieß er 1630 in Paris auf die
Elementa
des Euklid, in denen die Lehrsätze der Mathematik, besonders aber der Geometrie, logisch von einem Grundgerüst von Axiomen
aus aufgebaut werden. Wie viele Philosophen des 17. Jahrhunderts, unter ihnen Descartes und Spinoza, war Hobbes von dem logischen Lehrgebäude der Geometrie fasziniert und betrachtete
diese fortan als Vorbild für die Philosophie.
Auf seiner dritten Reise machte er schließlich die Bekanntschaft namhafter zeitgenössischer Philosophen und Wissenschaftler,
mit denen er zwar nicht in allen Punkten
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