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»Bewegung in den Organen und inneren Teilen des Körpers«. Hobbes’ Universum ist ein Universum von physischen,
psychischen, sozialen und politischen Körpern.
So ist sein Bild von der sozialen und politischen Welt auch grundsätzlich anders als das der aristotelisch-christlichen Tradition.
Für Hobbes ist der Mensch weder auf die Verwirklichung des Guten hin angelegt noch für die Gemeinschaft geschaffen. Im Naturzustand
ist jeder Mensch ein Einzelkämpfer, der sich wie ein isolierter Partikel in einem offenen Raum bewegt und auf sich selbst
angewiesen ist. Jeder muss seine Interessen und Lebensbedürfnisse gegen die anderen durchsetzen. Der Mensch im Naturzustand
ist kein Gutmensch, sondern egoistisch und verfolgt seine Selbsterhaltung auf Kosten anderer: Es herrscht ein »Krieg aller
gegen alle«.
Es ist ein Zustand absoluter Anarchie, in dem sich der Stärkere durchsetzt. Schutz und Rechtssicherheit gibt es für niemanden.
Die Folge ist ein Klima der ständigen Unsicherheit und Furcht. Es ist aber auch ein Zustand der Freiheit und Gleichheit in
dem Sinne, dass alle von Natur aus gleich und gleichermaßen frei im Durchsetzen ihres Lebensspielraums sind.
Im Naturzustand herrscht das »Naturrecht«. Anders als wir diesen Begriff heute verstehen, beschreibt er bei Hobbes keine grundlegenden
Rechtsansprüche wie z. B. den auf Unversehrtheit der Person, sondern Naturrecht bedeutet nichts anderes als »die Freiheit, die jeder Mensch besitzt,
seine eigene Macht nach Belieben zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens, zu gebrauchen«.
Das Bild, das Hobbes vom Naturzustand zeichnet, wurde sicherlich durch die rechtlosen und anarchischen Zustände inspiriert,
die im englischen Bürgerkrieg zu beobachten waren. Wie bei Machiavelli speist sich das Menschenbild bei Hobbes aus konkreter
Anschauung. Dennoch ging es ihm nicht um eine Zustandsbeschreibung, sondern um ein Modell, das verstehen hilft, auf welchem
Fundament eine staatlich und damit auch rechtlich geordnete Gemeinschaft steht.
Das, was den Menschen dazu bewegt, den Zustand des Fressens und Gefressenwerdens zu verlassen und sich auf ein gesetzmäßiges
und soziales Verhalten einzulassen, ist die Einsicht in die Notwendigkeit. Es ist die Erkenntnis, dass Selbsterhaltung letztlich
nur in der Gemeinschaft mit anderen möglich ist.
Um ein friedliches Zusammenleben der Menschen zu ermöglichen, muss jeder Einzelne bereit sein, seine Ellbogen einzuziehen,
auf bestimmte egoistische Handlungsweisen zu verzichten und auch die Interessen der anderen in den Blick zu nehmen. Den Weg,
wie man dem Dilemma der Anarchie entkommen kann, zeigen eine ganze Reihe von »Naturgesetzen«. Sie definieren bestimmte moralische
Einstellungen wie »Gerechtigkeit«, »Mäßigkeit« oder »Erbarmen«, aber formulieren auch soziale Klugheitsregeln, die Ergebnisse
des gesunden Menschenverstandes sind.
Die ersten beiden einer ganzen Reihe von Naturgesetzen geben die Richtung an, die schließlich vom Naturzustand zu einem »Gemeinwesen«
führen sollen: Sie fordern erstens vom Menschen, nach Frieden zu streben, und zweitens die Bereitschaft, im Interesse des
Friedens nur die Rechte zu beanspruchen, die man auch anderen zu gewähren bereit ist. Die Naturgesetze verlangen, kurz gesagt,
eine symmetrische, d. h. gegenseitig gleiche Verteilung von Rechten und Pflichten und eine vertragliche Regelung, die dies festlegt.
Durch die Einhaltung der Naturgesetze werden die Menschen auf einen dauerhaften Friedenszustand eingestimmt – aber dieser
Friedenszustand wird dadurch noch nicht erreicht. Hobbes hat zu viel vom Menschen gesehen, als dass er ihm trauen könnte.
Um den gesellschaftlichen Frieden wirklich zu sichern, bedarf es einer übergeordneten Macht, die auch in der Lage und befugt
ist, ihn notfalls mit Gewalt durchzusetzen.
Diese Einsicht hat Hobbes mit einem seiner berühmtesten Sätze formuliert: »Covenants, without the Sword, are but Words« –
»Verträge ohne Schwert sind nur Worte«, schreibt er im 17. Kapitel des
Leviathan
.
Um eine Macht zu etablieren, die den Frieden auch mit dem Schwert durchsetzen kann, ist ein für alle geltender »Gesellschaftsvertrag« notwendig. Es ist ein Vertrag zwischen Freien und Gleichen zugunsten eines Dritten: des Souveräns. Auf ihn übertragen die
Vertragsschließenden alle ihre Rechte. Der Souverän wiederum übernimmt den Schutz der Bürger vor gewaltsamen
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