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Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Titel: Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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können sich nicht vorstellen, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren, besonders nicht, wenn eben viele Leute dann gar nicht mehr arbeiten. Oder: Die Ernährungsministerin Ilse Aigner prangerte an, dass so viele Lebensmittel weggeworfen werden, weil man zu zwanghaft auf Haltbarkeitsdaten starrt. So hat man 5-Kilogramm-Möhrensäcke billig gekauft; als dann die Möhren zu den Ohren herauskamen – weg mit dem Rest! Die Kellerkartoffeln keimten und Frühkartoffeln schmecken besser, es gab nicht gerade unser Lieblingsessen, da warfen wir die Hälfte ungegessen weg. Oder wir kochen grundsätzlich zu viel, um die Gäste zu beeindrucken, oder wir kaufen viele Sorten Aufschnitt, um Auswahl zu haben und essen nie alles auf! Oder wir scheuen den Blick des Bedienungspersonals bei: »Eine Scheibe gekochten Schinken, bitte.«
    Wer etwas Neues in die Welt bringt, muss dieses Feedback erkunden, immer wieder und wieder. Wie ist die Resonanz? Wenn das Feedback schlecht ist, müssen wir daraus lernen! Es geht nicht darum, wie es heutegeschieht, einfach nur Schnellschussthesen durch die Boulevardpresse beurteilen zu lassen und bei Misserfolg sofort zu beerdigen. Es geht darum, an einer Vision zu arbeiten und ihr den Boden zu bereiten. Die Vision ist oft falsch formuliert, meist schreckt sie viele Menschen ab, meist ist sie zu erklärungsbedürftig, zu komplex oder zu feindlich gegen manche Menschen, die sich sofort wehren. Wer Tempo 30 fordert, muss mit Antagonisten rechnen, die auf die Freiheit des Menschen pochen und düstere Folgen für die Wirtschaft an die Wand malen, wenn ja »jetzt jeder Mensch jeden Tag zehn Minuten verliert« – »Milliardenschaden! Deutschland bremst sich aus!« Wer das bedingungslose Grundeinkommen fordert, wird sofort als Faultier betrachtet, das von einer solchen Regelung wohl gerne profitieren würde. Die Gutverdiener unter uns schütteln sich, weil sie die Zeche bezahlen müssen. Die disziplinierten Geringverdiener, die schon immer hart für wenig Geld arbeiten, sind gespalten. Die Erklärung der Finanzierung ist komplex und erscheint windig. Die Annahme des nur Guten im Menschen ist fragwürdig.
    Die Debatte um das Wegwerfen von Lebensmitteln hat eine andere Dimension, sie ist schon eine Stufe weiter, weil sie nicht so offensichtliche Antagonisten hat. Bitte beachten Sie diese: Man kann das Wegwerfen von gutem Essen in Gegenwart armer Hungernder absolut als farbenprächtiges emotionsaufwallendes Filmspektakel inszenieren. »Niedriglöhner muss krumme Möhren aussortieren und bekommt Abmahnung, eine gestohlen zu haben.« Jetzt erscheinen immer mehr und immer emotionalere Videos unserer Schande im Netz. Lebensmittelverschwendung ist TV-tauglich, das bedingungslose Grundeinkommen nicht. Das Tempo-30-Thema ist medienpolitisch schwierig, weil die Antagonisten nicht gerne öffentlich sagen wollen, dass sie darauf bestehen, »sportlich« fahren zu dürfen. Es gibt eine schweigende Mehrheit dagegen, die sich schwer steuern lässt.
    Beobachten Sie doch einmal unter solchen Gesichtspunkten die visionären Vorstellungen des Tages. Bleiben die neuen Vorstellungen in uns haften? Machen Sie ärgerlich oder lassen Sie hoffen? Sind wir sofort begeistert oder runzeln wir die Stirn? Verstehen wir das Neue überhaupt? Was denken Sie bei dem Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer? Vielleicht: »Keine Ahnung. Das verhindern die Banken doch wieder.«
    Nur weniges bewegt uns längere Zeit. Nur weniges wollen wir letztenEndes wirklich mittragen und durchsetzen. Nur weniges »kaufen« wir mental sofort.
    Entrepreneure arbeiten so lange an ihren Visionen, bis sie Eingang finden. Es geht oft darum, ein Mem (eine Vorstellung) zu finden, das positiv haften bleibt und wirklich beeinflusst. Die meisten Visionen sind zu niedrig und direkt angesetzt. Sie lassen in uns keine Sehnsucht keimen, sie drücken uns gleich eine Lösung auf. »Tempo 30!« – Hallo? Weshalb denn? »Bedingungsloses Grundeinkommen!« Wer bezahlt das? Geht das? Sagt uns nicht jeder, der Lebenssinn sei Arbeit im Wettbewerb? Wirkliche Visionen verheißen etwas, sie lassen uns Sehnsucht nach etwas Himmlischen spüren, sodass wir emotional eingestimmt sind, in die richtige Richtung zu gehen. Die Bilder von verschwendeten Lebensmitteln bleiben haften. Wir schämen uns, winden uns, suchen Ausreden, dass »die Industrie schuld ist«, die aber verweist auf den König Kunde, der eben nachweislich billige Großpackungen favorisiert. Eine solche Diskussion

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