Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
löst etwas aus. Langfristig wird sie etwas in Gang setzen. Ein gutes Beispiel einer Visionsänderung habe ich schon erwähnt. »Lass es! Rauchen tötet dich!« ist als Argument gegen das Rauchen relativ unwirksam geblieben. Die andere Version »Rauchen tötet mich! Unterlass es in meiner Gegenwart!« hat jetzt nach vielen Jahrzehnten den Durchbruch geschafft. Der Anspruch des Nichtrauchers auf Leben steht höher als die Freiheit des Rauchers, sich töten zu dürfen. Dieses Höhere führte zum Ziel. »Rauchen tötet!« ist ein Mem, ein Gedankeninhalt beziehungsweise eine Vorstellung, die das Zeug hat, sich zu verbreiten. Dieses Mem ist aber nur etwas, was wir es alle in unser Bewusstsein aufnehmen. Dort ist auch »Bedingungsloses Grundeinkommen!« und ebenfalls »Zone 30!« Aber diese Meme bewegen nichts im Tun, sie sind nur als Vorstellung im Gehirn oder in unserem kollektiven Bewusstsein präsent.
Das Mem »Raucher töten mich« löst aber etwas im Handeln aus. Wir bitten, das Rauchen in unserer Gegenwart zu unterlassen. Nichtraucher lösen sich von der Gastgeberpflicht, einen Aschenbecher im Haus vorzuhalten. Raucher werden schwach kriminalisiert. Nichtraucher nehmen den Gegenvorwurf der Lustfeindlichkeit und Freudlosigkeit nicht mehr ernst.
Auch der Vorwurf der Wegwerfgesellschaft wird etwas bewegen … Es geht nicht darum, ob ein Thema gut, schlecht, richtig oder falschist, man muss es so kommunizieren, dass es fast von selbst an Kraft gewinnt. »Der Funke muss überspringen.« Es geht nicht darum, »ob man recht hat oder nicht«.
Gute Visionen werfen einen neuen, hellen Blick auf etwas und bewirken über Emotionen eine Veränderung im Handeln. Gute Visionen bewegen.
Gute Visionen zeigen eine gute Richtung zum Mitmachen, keine schon fertige Lösung. Fertige Lösungen werden sofort kritisiert, infrage gestellt und mit anderen Optionen und Möglichkeiten konfrontiert. Es reicht nicht, Visionen in Form eines guten Mems allgegenwärtig zu machen und in allen Hirnen zu speichern. Visionen müssen zum Mitmachen führen. Ich will dazu ein neues Wort verwenden. Wir brauchen wirksame Visionen und dazu »Trigger-Memes« oder »Auslöser-Meme«, die etwas bewirken.
Betrachten Sie unter diesem Aspekt die üblichen Unternehmensvisionen: »Wir wollen stets die Besten sein. Wir wollen immer zweistellig wachsen. Wir haben die besten Mitarbeiter. Wir stehen für Qualität und stellen den Kunden in den Mittelpunkt.« Diese Meme kennt absolut jeder! Wir haben sie verstanden, bis zum Überdruss verstanden. Bewegen sie etwas? Lösen sie Sehnsucht aus? Schauen wir auf die Programme der Parteien: »Wir sind sozial und setzen uns für Freiheit ein. Wir stehen für Steuervereinfachung, für Gerechtigkeit, eine saubere Demokratie und kämpfen gegen Bürokratie.« Bewegt uns das? Wir spüren, dass es keine Visionen sind, weil der Absender schon selbst keine Sehnsucht hat. Halten sie in Ihrem Herzen einmal solche Trigger-Memes dagegen »In zehn Jahren sind wir auf dem Mond« (Kennedy) oder
»I have a dream«
(Martin Luther King). Ich habe eben in Wikipedia den Anfang der Rede gelesen, ich bekam Gänsehaut und hörte förmlich die bewegende Stimme von einst, ohne das Video angeklickt zu haben.
Haben Sie eine Vision, die bewegt? Sind Sie selbst bewegt? Bewegen Sie andere?
In meinen letzten Berufsjahren als Chief Technology Officer (CTO) der IBM Deutschland war ich mit der Aufgabe betraut, die Welt zu überzeugen, dass viele industrielle Branchen durch neue IT-Infrastrukturen grundlegend revolutioniert werden können. Ich hatte eine Aufgabe als Visionär. Das kam so (aus meiner Sicht): Anfang November2008 verkündete die Zentrale der IBM, dass sie sich in den nächsten Jahren zu einem großen Infrastrukturanbieter für moderne Industrien wandeln wolle. Sie rief dazu aus, die Welt beziehungsweise den Planeten durch IT-Lösungen »smarter« zu machen und damit die Welt zu verbessern. Das Trigger-Mem dazu klang so:
»A Smarter Planet. Instrumented. Intelligent. Interconnected. How we use data. How industries collaborate. How we make a smarter planet
.«
Als ich diese Worte zuerst las, dachte ich: »Schick! Sieht gut aus. Hat was.« Dann aber schaute ich nachdenklich aus dem Fenster und erkannte irgendwie gleich, dass natürlich die Infrastrukturen verändert werden müssten – und zwar so richtig weitgehend, in ganz großem Stil. Ich hatte in dieser Woche als CTO noch einen Redeauftritt vor wichtigen IBM-Kunden und beschloss, eine Rede
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