Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
Feindschaften einzuhandeln, wenn sie ihre Konzepte ändern. Sie verändern ja dadurch unser aller Leben, und bei »de facto«-Standardveränderungen haben wir keine Wahl, wir müssen sie »schlucken«. Ja, wir wollen alle das beste Produkt, aber keine Fremdbestimmung.
Mehrere Hürden gleichzeitig
Viele Innovatoren sind ernsthaft verbittert, weil das eigene (meist Groß-) Unternehmen, in dem und für das sie arbeiten, einer neuen Idee verschlossener gegenübersteht als die Kunden draußen. Oft kommen schon die Kunden und fragen, wo die neuen Produkte des Unternehmens bleiben und wie viel sie wohl kosten mögen. Wann ist alles lieferbar? Währenddessen hat das Unternehmen immer noch nicht entschieden, ob es auf den neuen Trend aufspringen soll. Soll ein Festnetztelefonunternehmen in ein Mobilfunknetz investieren? Die Mitarbeiter des Unternehmens sind von der höheren Qualität des Festnetzes absolut überzeugt und sehen die Vorteile eines Mobilgeräts nicht wirklich. Sie fürchten sich auch, dass der Mobilfunk ihr Unternehmen stark verändert und vielleicht insgesamt schwächt. Was wird werden? Im Kopf sind sie überzeugt, dass das Alte besser ist, im Körper sitzt die Angst. Sie sind CloseMinds. Die Controller des Unternehmens zählen das schöne Geld, das mit dem Alten (noch) verdient wird. Sie scheuen die Investitionen ins Ungewisse. Die Innovatoren im Unternehmen schimpfen: »Unser Unternehmen sollte immer vorn sein und sich nicht hinten verstecken. Unser Unternehmen steht sich selbst im Wege.«
Wir sehen: Wenn die Hürde zum OpenMind auf der
Kundenseite
übersprungen ist, bedeutet das noch lange nicht,
dass sich das Unternehmen selbst der neuen Idee oder Innovation geöffnet hat
. Es ist oft selbst noch CloseMind oder gar Antagonist. Das ist besonders dann der Fall, wenn eigene Unternehmensprodukte durch die Innovation kannibalisiert werden, wie man sagt, wenn also das Neue die alten Produkte des Unternehmens bedroht.
Die Buchverlage mögen einfach nicht eBooks produzieren, die Banken keine Internetservices aufbauen, die Schulbuchverlage hassen interaktive Lehreinheiten im Internet, der stationäre Handel redet die Intershops klein, die Computerhersteller die Smartphones, Firmen wie Kodak haben bis kurz vor dem eigenen Tod nicht geglaubt, dass sie das Neue einfach verdrängt.
»Bücher sind haptisch – eBooks nicht!« – »Kunden wollen beraten werden, nicht im Internet selbst agieren.« – »Nicht jeder kann sich Internet leisten, aber Schulbücher zahlt der Staat!« – »Kleidung muss man anfassen, niemals kauft man die im Internet.« – »Personalberatung ist eine wichtige diskrete Angelegenheit, man kann nicht einfach Fachleute durch bloßes Googeln finden und anhauen.«
Als Chief Technology Officer der IBM habe ich mir viele Jahre lang diese Gegenargumente angehört. Ich war auf vielen Verbandstagungen für Büromöbel, Bankfilialausstattungen, Büroimmobilien, Druckmaschinen, Bücher, Bibliotheksorganisation, Headhunting und so weiter, die der eigenen Branche goldene Zeiten nach der kurzen Störung durch das Internet bescheinigten. »Das ist ein Hype, der geht vorbei.« Ich selbst habe diese liturgischen Wiederholungen immer wie Leichenpredigten empfunden und mit Trauer versucht, Industrien zu warnen. Ich erwähnte es schon: Ich wurde belächelt oder wie auf der Hybris-Curve glatt ausgelacht. Besonders die etablierten Unternehmen selbst sind oft nicht so aufgeschlossen wie ihre eigenen Kunden. Wenn die OpenMinds unter den Kunden schon das Neue kaufen, sind die Großunternehmen noch CloseMinds, und die auf Vergangenheit pochenden Keynote-Speaker ernten als flammende Antagonisten auf den Verbandstagen rauschenden Beifall für ihre Durchhalteparolen.
Ein Innovator muss in diesem Fall natürlich in seinem eigenen etablierten Unternehmen auf
viel mehr
Widerstand treffen als im Markt.Er muss auch verstehen, dass sein Unternehmen überhaupt kein Gefühl für die neuen Wünsche der Kunden hat, weil es als CloseMind die OpenMind-Kunden nicht versteht. Jemand, der Bücher zu einem guten Teil nach Haptik (»wie es sich anfühlt«) beurteilt, kann nicht wirklich spüren, was ein eBook-Kunde will. Ein Buch von mir bekam vor einiger Zeit eine vernichtende Kritik (mit der schlechtest möglichen minimalen Einsternebewertung bei Amazon) – ein Leser hatte es als eBook eines ehrwürdigen Wissenschaftsverlags gekauft:
»... aber die kindle-version ist eine zumutung, und für den preis erst recht! das schriftbild
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