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Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Titel: Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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umdreht«, der Kunde kann warten, bis das neue Modell herauskommt, es kann einfach so wie im Jahr der großen Finanzkrise alles verhageln! Verkäufer spüren mindestens am Jahresanfang ein »Verzagen«, deshalb werdensie oft in Firmen-Kickoffs »zum Neuaufbruch in eine wunderbare Zeit« mental aufgepeitscht. Sie sollen hinter Aufträgen hinterherrennen und vollkommen optimistisch sein!
    Wissenschaftler verstehen die innere Lage der Verkäufer nicht. Das merken Sie an den üblichen herablassenden Bemerkungen von Forschern: »Pfui, Verkäufer sind nur hinter dem Geld her. Welche niedrigen Menschen! Es ist Gier.« Aber bitte – versteht man das nicht? Und ist das Hinterherhecheln nach Impact-Points nicht genau so moralisch oder unmoralisch?
    Da also der Vertriebler eine beängstigend hohe Quote hat, muss er sich strecken. Er versucht daher, möglichst oft Kontakt zum Kunden aufzunehmen, um ihn für neue Produkte zu begeistern und zum Abschluss zu bringen. Ich gebe Ihnen hier einmal das Extrembeispiel eines Pharmavertreters, der bestimmte Medikamente bei Ärzten verkaufen soll. Dazu macht er bei Ärzten Termine und besucht sie. Die Ärzte haben aber kaum Lust auf Termine, sie gehen natürlich auch nicht selbst ans Telefon, weil sie ja (ebenfalls total überlastet) unter dem Druck eines vollen Wartezimmers zügig arbeiten wollen. Der Pharmavertreter muss sich die Termine bei der Rezeption fast erbetteln und erquengeln. Dann begibt er sich auf Reisen. Die Ärzte halten die vereinbarten Termine sehr oft nicht ein, weil sie ja dann, wenn der Vertreter kommt, gerade einen Kranken behandeln. Er muss also warten. Irgendwann kommt der Arzt ins Wartezimmer, sieht den wartenden Vertreter und schweift mit stressflackerndem Blick über die wartenden Patienten. Der Arzt stöhnt und sagt: »Okay, jetzt meinetwegen, aber schnell. Bitte lassen Sie mir am besten nur Probemedikamente und Prospekte da, ich habe keine Zeit.« Fünf stressig ungeduldige Minuten redet er mit dem Vertreter, am Empfang stehend, und schmeißt ihn dann sanft raus. Wir haben damals bei IBM auch Routenplanungen für Pharmavertreter optimiert, es stellte sich heraus, dass sie pro Tag durchschnittlich 72 Minuten mit Ärzten reden. Die meiste Zeit warten sie, vereinbaren Termine oder suchen Parkplätze. Diese Zahl (72 Minuten) habe ich vor kurzem einmal bei einer Pharmafirma erwähnt – oh, da wurde ich ausgelacht. »Das war die gute alte Zeit!« Heute könnte die Präsenzzeit eines Vertreters unter einer halben Stunde am Tag liegen. Die Ärzte sagen nur noch: »LegenSie die Proben neben den Eingang. Danke und Tschüss.« Das ist das etwas traurige »Klinkenputzerdasein«.
    Und nun stellen Sie sich vor, ein Erfinder bittet einen Verkäufer in solcher Stresslage, ihn doch einmal zu seinen Kunden mitzunehmen, damit er denen seinen fabelhaften neuen Prototyp erklären kann. Erfinder haben normalerweise in Forschungsinstitutionen, Entwicklungsabteilungen und Universitäten für ein solches Erklären alle Zeit der Welt. Sie können sich die Zeitdruckproblematik »im echten Leben« überhaupt nicht vorstellen. Da bekommt ein Verkäufer Albträume, denn er will und muss ja jede Sekunde beim Kunden für Abschlüsse nutzen. Und dann will »da so ein Wissenschaftler« mitkommen, für den eine Stunde Rumreden rein nichts ist!
    Deshalb nehmen Verkäufer die Innovatoren nicht gerne mit … Das oberste Ziel ist es, keine Zeit beim Kunden zu verplempern. »Zeit beim Kunden ist Geld. Auch mein Geld.«
    Neben dem Zeitproblem gibt es die leidigen Erfahrungen der alten Hasen im Vertrieb mit Innovationen aller Art. Die sprechen das Wort »Innovation« mit höhnischen Anführungszeichen aus. Originalton: »Das Unternehmen hat mir Mondziele als Quote gegeben, die ich bestimmt nicht erfüllen kann. Die Produkte sind längst nicht mehr so perfekt wie früher, man muss Kunden viel mehr überreden, außerdem sind die Produkte heute billiger, da muss ich stückmäßig mehr verkaufen und brauche daher mehr Zeit als früher! Ich erwarte von meinem verdammten Unternehmen verdammt nochmal Produkte, die sich bitte wie warme Semmeln verkaufen lassen. Ich will nichts Schwieriges, was ich dem Kunden erst noch lange erklären muss. Er will damit nicht belästigt werden. Er hat doch selbst schon konkrete Vorstellungen, was er will. Und mitten in diese schwierige Lage hinein kommt das Unternehmen und denkt sich fast jede Woche spinnige Zusatzprodukte und Plusoptionen aus, die ich noch zusätzlich zu

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