Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
diese erworbene Anerkennung muss nicht nur verdient, sondern auch bekannt gemacht werden! Sonst nützt sie doch nichts! Noch einmal aus dem Managermeeting: »Für diesen Job schlage ich Herrn X vor, der hat sich in meinem Bereich höchste Anerkennung erworben. Ist das okay für alle?« Da sagt ein Managementkollege: »Verzeihen Sie, aber den Namen habe ich noch nie gehört.« – »Kann ja sein, aber ich sage, er genießt bei uns höchste Anerkennung.« – »Nein, da gehe ich nicht mit. Wenn jemand bei uns höchste Anerkennung erworben hat, kenne ich den doch! Das muss doch so sein, dass ich von allen Großtaten in dieser Firma erfahre. Die Tatsache, dass mir der Name des Herrn X noch nie über den Weg gelaufen ist, muss ich negativ werten, so leid es mir tut.« Und weil solche Dialoge immer wieder vorkommen, stellt ein Chef, der einen Mitarbeiter fördern will, diesenerst einmal allen Kollegen vor. Visibility und Vertrauen in Netzwerken sind unabdingbar.
Passive und aktive Prozesskompetenz
»Das darf doch nicht wahr sein!«, so höre ich es immer wieder. Es darf nicht wahr sein, dass noch eine Unterschrift gebraucht wird, noch eine Genehmigung, noch ein Formular oder eine Präsentation. Alles geht stur seinen Weg, es werden keine Ausnahmen geduldet. Die Geschäftsprozesse in Unternehmen sind bei Weitem das Unbeliebteste, was es gibt. Ich habe sehr viele Umfragen in Firmen gesehen. Da wird gefragt: »Was ist das Beste hier? Was das Schlechteste?« Und die Antworten lauten: »Das Beste ist meine Arbeit, das Schlechteste die lähmenden Prozesse.«
Da kommen Mitarbeiter und wollen etwas. Der Manager rollt mit den Augen. Er weiß, dass die Prozesse das nicht zulassen. Er klärt die Mitarbeiter auf. Die ärgern sich, dass es an Formalia scheitern soll, was sie wollen. »Das darf doch nicht wahr sein!« Sie fordern vom Manager, sich über die Prozesse kraft seiner Macht hinwegzusetzen. Der aber schwört, diese Macht nicht zu haben. Da hadern sie nun auch mit ihm, dem Chef. »Das kann doch nicht wahr sein!«
Manager haben die Aufgabe, die Prozesse sorgsam zu überwachen, damit alles ordentlich läuft. Sie haben keineswegs die Rolle, Ausnahmen zu regeln.
Mitarbeiter verstehen das nicht! Manager bei ihrer Ernennung auch nicht richtig, sie denken noch, sie bekämen Macht, aber sie bekommen eine Rolle mit Pflichten.
Diese Missverständnisse kommen bei Innovationen noch viel stärker zum Tragen. Innovationen erfordern ja das Einführen von Neuem und erzeugen fast zwangsläufig Ausnahmen und Sonderfälle. Es gehört zur hohen Kunst des Innovators, »auf dem Prozessarsenal eines Unternehmens wie auf dem Klavier spielen zu können«. Innovatoren müssen Wege an den normalen Geschäftsprozessen vorbei finden, sie geschickt umgehen oder auch einmal unter persönlichem Risiko ganz ignorieren. Bedenken Sie aber vor allem dies:
Wer Geschäftsprozesse umgehen will oder muss, sollte sie ganz genau kennen. Er sollte auch ständig signalisieren, dass er sie kennt.
Das ist eine wesentliche Kompetenz in einem Unternehmen! Ich will sie »passive Prozesskompetenz« nennen – das Wissen darum, wie ein Unternehmen tickt. Dazu gehört nicht nur eine gute Kenntnis der tatsächlichen Prozesse, sondern auch eine Intuition dafür, wie Prozesse laufen, wenn man sie nicht genau kennt. Man muss ein feines Gespür haben, wie die Dinge eigentlich immer abzulaufen haben oder wie die Kultur eines Unternehmens implizit alles regelt. Es ist ratsam, bei Gelegenheit immer wieder zu betonen, dass man über dieses Gespür verfügt. Alle Kollegen im Netzwerk sollten wissen, dass man selbst »schon katholisch ist«, dass man die Regeln kennt und vor allem respektiert und sie so für gut hält, wie sie sind.
Wir erkennen nun einen wichtigen Punkt: Wer dafür bekannt ist, dass er alle Gesetze kennt und hochachtet, dem wird eine bewusste Ausnahme zugunsten des ganzen Unternehmens verziehen oder leichter genehmigt! Er steht bei Ausnahmen nicht unter dem General- oder Anfangsverdacht, schludrig zu sein oder das Unternehmen nicht zu achten. Darauf nämlich reagieren Unternehmen sehr empfindlich und pedantisch.
Eine Anekdote zur Erhellung: Es war einmal ein technischer Leiter eines Unternehmens, der einen Prototyp auf der CeBIT vorstellen sollte. Es ging um eine neue Software zur neuartigen Auswertung von Daten. Es fiel ihm ein, dass man das Ganze gut an Fahrgewohnheiten von Radfahrern darstellen könnte. Wo wohnen diese (Hügel? Flachland?), welche
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