Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
Gangschaltungen haben sie, wie viele Kilometer legen sie zurück? Et cetera Nun brauchte er nur noch ungefähr 1 000 Leute, die ihre Daten geben würden. Er überlegte, wie man Mitarbeiter des Unternehmens aktivieren könnte. Leider ist es verboten, in einem Unternehmen Umfragen zu starten. Es ist insbesondere verboten, Fragen aus dem privaten Umfeld zu stellen. Eine Umfrage würde so in etwa 100 Gesetze brechen. Irgendwie geschah es, dass plötzlich im Internet ein Fragebogen auftauchte. Viele Mitarbeiter gaben ihre Daten als Spende für die CeBIT ein. Nach zwei Stunden wurde der Gesetzesbruch bemerkt. Man rief den technischen Leiter an, was ersich erlauben würde. Der aber »wusste gar nichts« von der Aktion und reagierte empört. Er versprach, die Sache sofort mit aller seiner Macht zu unterbinden. Er kündigte an, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen und hart zu bestrafen. Das Unternehmen forderte Execution und eine Rückmeldung. Der technische Leiter fragte die Schuldigen im Computerraum sofort, ob sie schon genug Antworten hätten, sie baten, die Sache noch eine halbe Stunde hinzuziehen. So geschah es unter wütenden E-Mails des Leiters an potenziell Schuldige. Kurze Zeit später waren hinreichend viele Daten eingegangen, der technische Leiter meldete nach oben, er habe die Verantwortlichen erwischt und »gekillt«. Er bat um Verzeihung, dass so etwas passieren konnte. Er schrieb E-Mails an alle, dass er so etwas nie wieder sehen wolle. Einige Wochen später erfreuten sich alle im Unternehmen, auch die Prozessbewacher, dass die Demo einen großen Erfolg hatte und eine gute Presse machte.
So kann es gehen – unter der Wahrung des Respekts vor den Regeln. Es wäre sehr schlimm geworden, wenn die Leute die Daten einfach so erhoben hätten und dann beim Erwischtwerden mit dem üblichen dummen Satz geantwortet hätten: »Das darf doch nicht wahr sein, dass man hier nicht mal unschuldig Daten erheben darf …« Fallbeil. Dieses »darf doch nicht wahr sein« zeigt einfaches Desinteresse an den Regeln, Ignoranz und das Gefühl, selbst zu etwas berechtigt zu sein. Wie gesagt, darauf reagieren Unternehmen sehr gekränkt und scharf. Sie können das in einem anderen Kontext vor Gerichten sehen. Stellen Sie sich vor, ein Angeklagter hat einen Autounfall verursacht, weil er unbedingt zu einem hoch wichtigen Gespräch rasen musste. »Es ist passiert, weil ich unbedingt diesen Termin einhalten musste.« Das gibt eine hohe Strafe! Besser wäre: »Ich habe beim Fahren gemerkt, dass meine Uhr falsch ging. Mich traf fast der Schlag. Ich bekam Angst, die mich ganz verrückt machte. Da ist es dann wohl unwillkürlich passiert, dass ich zu schnell fuhr. Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte, ich fahre sonst langsam, weil ich Stress nicht gut aushalte. Ich bin eher einer, der andere hart verurteilt, wenn sie so etwas machen. Jetzt bin ich eines anderen belehrt worden. Ich habe gemerkt, wie die Angst einen anderen Menschen aus uns machen kann. In Zukunft werde ich bei solchen Anzeichen einfach anhalten und eine Pause machen.« Oderkurz: Unser System geht sehr hart mit Menschen ins Gericht, die keine Reue beziehungsweise kein Verständnis in die Erfordernisse des Ganzen zeigen. Auch vor Gericht geht es immer darum, ob der Angeklagte die Gesellschaft achtet oder nur ein durch und durch egoistisches kriminelles Individuum ist.
Ein Innovator sollte also eine gute passive Prozesskompetenz mitbringen und die Regeln und Abläufe im Unternehmen respektieren. Er muss dafür ein gutes Gesamtverständnis vom Unternehmen besitzen. Auch unter ungewohnten oder ganz außergewöhnlichen Umständen sollte er immer ein Gefühl dafür haben, was jetzt im Sinne des Unternehmens richtig wäre. Er kann anders entscheiden, aber bei allen Ausnahmen muss er wissen, was er tut.
Eine Innovation erfordert aber nicht nur ein Gespür für das Bestehende. Innovationen machen oft ganz neue Regeln nötig. Innovatoren sollten dafür auch über eine »aktive Prozesskompetenz« verfügen – über die Fähigkeit, neue Regeln vorzuschlagen, die für das Unternehmen im Ganzen tragbar sein können. Es geht nicht, einfach immer nur »freie Fahrt für diese besondere Innovation« zu fordern. Es liegt in der Pflicht des Innovators, gute Vorschläge für die Regeln der Zukunft zu machen. Viele Innovatoren sehen sich nicht in dieser Pflicht. »Ich erfinde hier etwas ganz Sensationelles – und die anderen sind nicht in der Lage, die Prozesse zu verändern!
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