Das Nibelungenlied
Wunder · von ihrem Reichtume sagen.
So saßen sie in Ehren · und hatten genug.
Was goldrote Kleider · ihr Ingesinde trug!
Edel Gestein und Borten · sah man gewirkt darin,
So verpflag sie fleißig · Sieglind die edle Königin.
Da sprach vor seinen Freunden · der König Siegmund:
»Siegfrieds Verwandten · tu' ich allen kund:
Er soll vor diesen Recken · meine Krone tragen.«
Die Märe hörten gerne · die von Niederlanden sagen.
Er befahl ihm seine Krone · mit Gericht und Land:
Da war er Herr und König · Wem er den Rechtsspruch fand
Und wen er strafen sollte · das wurde so getan,
Daß man wohl fürchten durfte · der schönen Kriemhilde Mann.
In diesen großen Ehren · lebt' er, das ist wahr,
Und richtet' unter Krone · bis an das zehnte Jahr,
Da die schöne Königin · einen Sohn gewann,
An dem des Königs Freunde · ihren Wunsch und Willen sahn.
Alsbald ließ man ihn taufen · und einen Namen nehmen:
Gunther, nach seinem Oheim · des durft' er sich nicht schämen.
Geriet' er nach den Freunden · das käm' ihm wohl zupaß.
Man erzog ihn sorgsam · wie sich's gebühret, tat man das.
In denselben Zeiten · starb Frau Siegelind:
Da hatte die volle Herrschaft · der edeln Ute Kind,
Wie so reicher Frauen · geziemte wohl im Land.
Es ward genug betrauert · daß der Tod sie hatt' entwandt.
Nun hatt auch dort am Rheine · wie wir hören sagen,
Gunther dem reichen · einen Sohn getragen
Brunhild die schöne · in Burgundenland.
Dem Helden zuliebe · ward er Siegfried genannt.
Mit welchen Sorgen immer · man sein hüten hieß!
Gunther der edle · Hofmeister wählen ließ,
Die ihn zu ziehn verstanden · zu einem wackern Mann.
Hei, was ihm bald das Unglück · der Verwandten abgewann!
Zu allen Zeiten Märe · war so viel gesagt,
Wie doch so herrlich · die Degen unverzagt
Zu allen Stunden lebten · in Siegmundens Land:
So lebt' auch König Gunther · mit seinen Freunden auserkannt.
Das Land der Nibelungen · war Siegfried untertan
(Keiner seiner Freunde · je größern Schatz gewann)
Mit Schilbungens Recken · und der beiden Gut.
Darüber trug der Kühne · desto höher den Mut.
Hort den allermeisten · den je ein Held gewann,
Nach den ersten Herren · besaß der kühne Mann,
Den von einem Berge · seine Hand erwarb im Streit:
Er schlug darum zu Tode · manchen Ritter allbereit.
Vollauf besaß er Ehre · und hätt' er's halb entbehrt,
Doch müßte man gestehen · dem edeln Recken wert,
Daß er der Beste wäre · der je auf Rossen saß.
Man scheute seine Stärke · mit allem Grunde tat man das.
Zwölftes Abenteuer
Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud
Da dacht' auch alle Tage · Brunhild die Königin:
»Wie trägt nur Frau Kriemhild · so übermüt'gen Sinn?
Nun ist doch unser Eigen · Siegfried ihr Mann:
Der hat uns nun schon lange · wenig Dienste getan.«
Das trug sie im Herzen · in großer Heimlichkeit;
Daß sie ihr fremde blieben · das war ihr bitter leid,
Daß man ihr Dienst so selten · entbot von Siegfrieds Land,
Woher das wohl käme · das hätte gern sie erkannt.
Sie versucht' es bei dem König · ob es nicht geschehn
Möchte, daß sie Kriemhild · noch sollte wiedersehn.
Sie vertraut' ihm heimlich · worauf ihr sann der Mut;
Da dauchte den König · der Frauen Rede nicht gut.
»Wie können wir sie bringen« · sprach der König hehr,
»Her zu diesem Lande? · das fügt sich nimmermehr.
Sie wohnen uns zu ferne · ich darf sie nicht drum bitten.«
Da gab ihm Brunhild Antwort · mit gar hochfährt'gen Sitten:
»Und wäre noch so mächtig · eines Königs Mann,
Was ihm sein Herr gebietet · daß muß doch sein getan.«
Lächeln mußte Gunther · ihrer Rede da:
Er nahm es nicht als Dienst an · wenn er Siegfrieden sah.
Sie sprach: »Lieber Herre · bei der Liebe mein,
Hilf mir, daß Siegfried · und die Schwester dein
Zu diesem Lande kommen · und wir sie hier ersehn:
So könnte mir auf Erden · nimmer lieber geschehn.
»Deiner Schwester Güte · und ihr wohlgezogner Mut,
Wenn ich daran gedenke · wie wohl mir's immer tut,
Wie wir beisammen saßen · als ich dir ward vermählt!
Sie hat sich mit Ehren · den kühnen Siegfried erwählt.«
Da bat sie ihn so lange · bis der König sprach:
»Nun wißt, daß ich Gäste · nicht lieber sehen mag.
Ihr mögt mich leicht erbitten · ich will die Boten mein
Zu ihnen beiden senden · daß sie kommen an den Rhein.«
Da sprach die Königstochter · »So sollt ihr mir sagen,
Wann ihr sie wollt besenden · oder zu welchen Tagen
Die lieben Freunde
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