Das Nibelungenlied
Rüdiger:
»Kund von Kindesbeinen · sind mir die edeln Könige hehr,
»Gunther und Gernot · die edeln Ritter gut;
Der dritte heißt Geiselher · ein jeglicher tut,
Was er nach Zucht und Ehren · am besten mag begehn:
Auch ist von ihren Ahnen · noch stets dasselbe geschehn.«
Da sprach wieder Etzel · »Freund, nun sage mir,
Ob ihr wohl die Krone · ziemt zu tragen hier;
Und hat sie solche Schöne · wie man sie zeiht,
Meinen besten Freunden · sollt' es nimmer werden leid.«
»Sie vergleicht sich an Schöne · wohl der Frauen mein,
Helke der reichen · nicht schöner könnte sein
Auf der weiten Erde · eine Königin:
Wen sie erwählt zum Freunde · der mag wohl trösten den Sinn.«
Er sprach: »So wirb sie, Rüdiger · so lieb als ich dir sei.
Und darf ich Kriemhilden · jemals liegen bei,
Das will ich dir lohnen · so gut ich immer kann;
Auch hast du meinen Willen · so recht von Herzen getan.
»Von meinem Kammergute · lass' ich so viel dir geben,
Daß du mit den Gefährten · in Freude mögest leben;
Von Rossen und von Kleidern · was ihr nur begehrt,
Des wird zu der Botschaft · euch die Genüge gewährt.«
Zur Antwort gab der Markgraf · der reiche Rüdiger:
»Begehrt' ich deines Gutes · das ziemte mir nicht sehr.
Ich will dein Bote gerne · werden an den Rhein
Mit meinem eignen Gute · ich hab' es aus den Händen dein.«
Da sprach der reiche König · »Wann denkt ihr zu fahren
Nach der Minniglichen? · So soll euch Gott bewahren
Dabei an allen Ehren · und auch die Fraue mein;
Und möge Glück mir helfen · daß sie uns gnädig möge sein.«
Da sprach wieder Rüdiger · »Eh' wir räumen dieses Land,
Müssen wir uns rüsten · mit Waffen und Gewand,
Daß wir vor den Königen · mit Ehren dürfen stehn:
Ich will zum Rheine führen · fünfhundert Degen ausersehn.
»Wenn man bei den Burgunden · mich und die Meinen seh',
Daß dann einstimmig · das Volk im Land gesteh',
Es habe nie ein König · noch so manchen Mann
So fern daher gesendet · als du zum Rheine getan.
»Und wiss', edler König · stehst du darob nicht an,
Sie war dem besten Manne · Siegfrieden untenan,
Siegmundens Sohne · du hast ihn hier gesehn:
Man mocht' ihm große Ehre · in voller Wahrheit zugestehn.«
Da sprach der König Etzel · »War sie dem Herrn vermählt,
So war so hohes Namens · der edle Fürst erwählt,
Daß ich nicht verschmähen · darf die Königin.
Ob ihrer großen Schönheit · gefällt sie wohl meinem Sinn.«
Da sprach der Markgraf wieder · »Wohlan, ich will euch sagen,
Wir heben uns von hinnen · in vierundzwanzig Tagen.
Ich entbiet es Gotelinden · der lieben Fraue mein,
Daß ich zu Kriemhilden · selber wolle Bote sein.«
Hin gen Bechelaren · sandte Rüdiger.
Da ward der Sinn der Markgräfin · froh und auch schwer.
Er meldet', er werbe für Etzel · um eine Königin:
Der schönen Helke dachte · sie da mit liebreichem Sinn.
Als die Botenkunde · die Markgräfin gewann,
Leid war es ihr zum Teile · zu sorgen hub sie an,
Ob sie wohl eine Herrin · gewänne so wie eh.
Gedachte sie an Helke · das tat ihr inniglich weh.
Nach sieben Tagen Rüdiger · ritt aus Heunenland,
Worüber frohgemutet · man König Etzeln fand.
Man fertigte die Kleider · in der Stadt zu Wien;
Da wollt' er mit der Reise · auch nicht länger mehr verziehn.
Zu Bechlaren harrte · sein Frau Gotelind;
Die Markgräfin, die junge · Rüdigers Kind,
Sah ihren Vater gerne · und die ihm untertan;
Da ward ein liebes Harren · von schönen Frauen getan.
Eh' der edle Rüdiger · aus der Stadt zu Wien
Ritt nach Bechlaren · da waren hier für ihn
Kleider und Gewaffen · auf Säumern angekommen.
Sie fuhren solcherweise · daß ihnen wenig ward genommen.
Als sie zu Bechlaren · kamen in die Stadt,
Für seine Heergesellen · um Herbergen bat
Der Wirt mit holden Worten · die gab man ihnen da.
Gotelind die reiche · den Wirt gar gerne kommen sah.
Auch seine liebe Tochter · die Markgräfin jung,
Ob ihres Vaters Kommen · war sie froh genung.
Aus Heunenland die Helden · wie gern sie die sah!
Mit lachendem Mute · sprach die edle Jungfrau da:
»Willkommen sei mein Vater · und die ihm untenan.«
Da ward ein schönes Danken · von manchem werten Mann
Freundlich geboten · der jungen Markgräfin.
Wohl kannte Frau Gotlinde · des edeln Rüdiger Sinn.
Als sie des Nachts zur Seite · bei Rüdigern lag,
Mit holden Worten fragte · die Markgräfin nach,
Wohin ihn denn gesendet · der Fürst von Heunenland.
»Meine Frau Gotlind,« sprach er ·
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