Das Nibelungenlied
der König Gunther · »Ich lasse nicht das Fragen:
Wie beide sich gehaben · das sollt ihr mir sagen,
Etzel und Frau Heike · in der Heunen Land?«
Der Markgraf gab zur Antwort · »Ich mach es gern euch bekannt.
Da erhob er sich vom Sitze · und die in seinem Lehn
Und sprach zu dem König · »Kann das denn geschehn,
Daß ihr mir's, Herr, erlaubet · so will ich nicht verhehlen
Die Märe, die ich bringe · die soll ich willig euch erzählen.«
Er sprach: »Was man uns immer · durch euch entboten hat,
Erlaub' ich euch zu sagen · ohne der Freunde Rat.
Die Märe laßt vernehmen · mich und die Degen mein:
Euch soll nach allen Ehren · zu werben hier gestattet sein.«
Da sprach der biedre Bote · »Euch entbietet an den Rhein
Seine treuen Dienste · der große König mein,
Dazu den Freunden allen · die euch zugetan;
Auch wird euch diese Botschaft · mit großer Treue getan.
»Euch läßt der edle König · klagen seine Not:
Sein Volk ist ohne Freude · meine Frau die ist tot,
Helke die reiche · meines Herrn Gemahl:
An der sind schöne Jungfraun · nun verwaist in großer Zahl,
»Edler Fürsten Kinder · die sie erzogen hat;
Darum hat im Lande · nun große Trauer statt:
Sie haben leider niemand mehr · der sie so treulich pflegt,
Drum wähn' ich auch, daß selten · des Königs Sorge sich legt.
»Nun lohn' ihm Gott,« sprach Gunther · »daß er die Dienste
So williglich entbietet · mir und den Freunden mein.
Ich hörte gern die Grüße · die ihr mir kund getan;
Auch wollen sie verdienen · die mir treu und Untertan.«
Da sprach von Burgunden · der Recke Gernot:
»Die Welt mag wohl beklagen · der schönen Helke Tod
Und manche höf'sche Tugend · der sie gewohnt zu pflegen.«
Das bestätigte Hagen · und auch mancher andre Degen.
Da sprach wieder Rüdiger · der edle Bote hehr:
»Erlaubt ihr mir, Herr König · so sag' ich euch noch mehr,
Was mein lieber Herre · euch hieher entbot:
Er lebt in großem Kummer · seit der Königin Helke Tod.
»Man sagte meinem Herren · Kriemhild sei ohne Mann,
Da Siegfried gestorben · und sprach man wahr daran,
Und wollt' ihr ihr's vergönnen · so soll sie Krone tragen
Vor König Etzels Recken · das gebot mein Herr ihr zu sagen.«
Da sprach König Gunther · mit wohlerzognem Mut:
»Sie hört meinen Willen · wenn sie es gerne tut.
Das will ich euch berichten · von heut in dreien Tagen:
Wenn sie es nicht weigert · wie sollt' ich's Etzel versagen?«
Man ließ Gemach bescheiden · den Gästen allzuhand.
Sie fanden solche Pflege · daß Rüdiger gestand,
Er habe gute Freunde · in König Gunthers Lehn.
Gerne dient' ihm Hagen · ihm war einst gleiches geschehn.
So verweilte Rüdiger · bis an den dritten Tag.
Der Fürst berief die Räte · gar weislich er es pflag:
Ob es seine Freunde · däuchte gut getan,
Daß Kriemhild sollte nehmen · den König Etzel zum Mann.
Da rieten sie es alle · nur Hagen stand's nicht an.
Er sprach zu König Gunther · diesem kühnen Mann:
»Habt ihr kluge Sinne · so seid wohl auf der Hut,
Wenn sie auch folgen wollte · daß ihr doch nimmer es tut.«
»Warum,« sprach da Gunther · »ließ' ich es nicht ergehen?
Was künftig noch der Königin · Liebes mag geschehn,
Will ich ihr gerne gönnen · sie ist die Schwester mein.
Wir müßten selbst drum werben · sollt' es ihr zur Ehre sein.«
Da sprach aber Hagen · »Das sprecht ihr unbedacht.
Wenn ihr Etzeln kenntet · wie ich und seine Macht,
Und ließt ihr sie ihn minnen · wie ich euch höre sagen,
Das müßtet ihr vor allen · mit großem Rechte beklagen.«
»Warum?« sprach da Gunther · »Leicht vermeid' ich das,
Ihm je so nah zu kommen · daß ich durch seinen Haß
Leid zu befahren hätte · würd' er auch ihr Mann.«
Da sprach wieder Hagen · »Mich dünkt es nimmer wohlgetan.«
Da lud man Gernoten · und Geiselhern heran,
Ob die Herren beide · däuchte wohlgetan,
Wenn Frau Kriemhild nähme · den mächt'gen König hehr.
Noch widerriet es Hagen · und auch anders niemand mehr.
Da sprach von Burgunden · Geiselher der Degen:
»Nun mögt ihr, Freund Hagen · noch der Treue pflegen:
Entschädigt sie des Leides · das ihr ihr habt getan.
Was ihr noch mag gelingen · das säht ihr billig neidlos an.«
»Wohl habt ihr meiner Schwester · gefügt so großes Leid,«
Sprach da wieder Geiselher · der Degen allbereit,
»Ihr hättet's wohl verschuldet · wäre sie euch gram:
Noch niemand einer Frauen · so viel der Freuden benahm.«
»Das was ich wohl erkenne · das sei euch frei
Weitere Kostenlose Bücher