Das Nibelungenlied
hatte · da brachte sie ins Land
Viel der fremden Recken · wohl gab der Frauen Hand,
Daß man so große Milde · nie zuvor gesehn.
Sie übte hohe Güte · das mußte man ihr zugestehn.
Den Armen und den Reichen · zu geben sie begann.
Hagen sprach zum König · »Läßt man sie so fortan
Noch eine Weile schalten · so wird sie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen · daß es uns übel muß ergehn.«
Da sprach König Gunther · »Ihr gehört das Gut:
Wie darf ich mich drum kümmern · was sie mit ihm tut?
Ich konnt' es kaum erlangen · daß sie mir wurde hold;
Nicht frag' ich, wie sie teilet · ihr Gestein und rotes Gold.«
Hagen sprach zum König · »Es vertraut ein kluger Mann
Doch solche Schätze billig · keiner Frauen an:
Sie bringt es mit Gaben · wohl noch an den Tag,
Da es sehr gereuen · die kühnen Burgunden mag.«
Da sprach König Gunther · »Ich schwur ihr einen Eid,
Daß ich ihr nie wieder · fügen wollt' ein Leid,
Und will es künftig meiden · sie ist die Schwester mein.«
Da sprach wieder Hagen · »Laßt mich den Schuldigen sein.«
Sie nahmen ihre Eide · meistens schlecht in Hut:
Da raubten sie der Witwe · das mächtige Gut.
Hagen aller Schlüssel · dazu sich unterwand.
Ihr Bruder Gernot zürnte · als ihm das wurde bekannt.
Da sprach der junge Geiselher · »Viel Leides ist geschehn
Von Hagen meiner Schwester · dem sollt' ich widerstehn:
Wär' er nicht mein Blutsfreund · es ging' ihm an den Leib.«
Wieder neues Weinen · begann da Siegfriedens Weib.
Da sprach König Gernot · »Eh' wir solche Pein
Um dieses Gold erlitten · wir sollten's in den Rhein
All versenken lassen · so gehört' es niemand an.«
Sie kam mit Klaggebärde · da zu Geiselher heran.
Sie sprach: »Lieber Bruder · du sollst gedenken mein,
Lebens und Gutes · sollst du ein Vogt mir sein.«
Da sprach er zu der Schwester · »Gewiß, es soll geschehn,
Wenn wir wiederkommen · eine Fahrt ist zu bestehn.«
Gunther und seine Freunde · räumten das Land,
Die allerbesten drunter · die man irgend fand;
Hagen nur alleine · verblieb um seinen Haß,
Den er Kriemhilden hegte · ihr zum Schaden tat er das.
Eh' der reiche König · wieder war gekommen,
Derweil hatte Hagen · den ganzen Schatz genommen:
Er ließ ihn bei dem Loche · versenken in den Rhein.
Er wähnt', er sollt' ihn nutzen · das aber konnte nicht sein.
Bevor von Tronje Hagen · den Schatz also verbarg,
Da hatten sie' s beschworen · mit Eiden hoch und stark,
Daß er verhohlen bliebe · so lang' sie möchten leben:
So konnten sie's sich selber · noch auch jemand anders geben.
Die Fürsten kamen wieder · mit ihnen mancher Mann.
Kriemhild den großen Schaden · zu klagen da begann
Mit Mägdlein und Frauen · sie hatten Herzeleid.
Gerne wär' ihr Geiselher · zu allen Treuen bereit.
Sie sprachen einhellig · »Er hat nicht wohlgetan.«
Bis er zu Freunden wieder · die Fürsten sich gewann,
Entwich er ihrem Zorne · sie ließen ihn genesen;
Aber Kriemhild könnt' ihm · wohl nicht feinder sein gewesen.
Mit neuem Leide wieder · belastet war ihr Mut,
Erst um des Mannes Leben · und nun, da sie das Gut
Ihr so gar benahmen · da ruht' auch ihre Klage,
So lang' sie lebte, nimmer · bis zu ihrem jüngsten Tage.
Nach Siegfriedens Tode · das ist alles wahr,
Lebte sie im Leide · noch dreizehen Jahr,
Daß ihr der Tod des Recken · stets im Sinne lag:
Sie wahrt' ihm immer Treue · das rühmen ihr die meisten nach.
Zwanzigstes Abenteuer
Wie König Etzel um Kriemhilden sandte
Das war zu den Zeiten · als Frau Helke starb
Und der König Etzel · um andre Frauen warb,
Da rieten seine Freunde · in Burgundenland
Zu einer stolzen Witwe · die war Frau Kriemhild genannt.
Seit ihm die schöne Helke · erstarb, die Königin,
Sie sprachen: »Sinnt ihr wieder · auf edler Frau Gewinn,
Der höchsten und der besten · die je ein Fürst gewann,
So nehmet Kriemhilden · der starke Siegfried war ihr Mann.«
Da sprach der reiche König · »Wie ginge das wohl an?
Ich bin ein Heide · ein ungetaufter Mann,
Sie jedoch ist Christin · sie tut es nimmermehr.
Ein Wunder müßt' es heißen · käm' sie jemals hieher.«
Die Schnellen sprachen wieder · »Vielleicht, daß sie es tut
Um euern hohen Namen · und euer großes Gut.
Man soll es doch versuchen · bei dem edeln Weib:
Euch ziemte wohl zu minnen · ihren waidlichen Leib.«
Da sprach der edle König · »Wem ist nun bekannt
Unter euch am Rheine · das Volk und auch das Land?«
Da sprach von Bechlaren · der gute
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