Das Nibelungenlied
sprach der König Siegmund · »Das laßt euch niemand sagen.
Vor allen meinen Freunden · sollt ihr die Krone tragen
Nach rechter Königswürde · wie ihr vordem getan:
Ihr sollt es nicht entgelten · daß ihr verloren habt den Mann.
»Fahrt auch mit uns zur Heimat · um euer Kindelein:
Das sollt ihr eine Waise · Frau, nicht lassen sein.
Ist euer Sohn erwachsen · er tröstet euch den Mut.
Derweil soll euch dienen · mancher Degen kühn und gut.«
Sie sprach: »Mein Herr Siegmund · ich kann nicht mit euch gehn.
Ich muß hier verbleiben · was halt mir mag geschehn,
Bei meinen Anverwandten · die mir helfen klagen.«
Da wollten diese Mären · den guten Recken nicht behagen.
Sie sprachen einhellig · »So möchten wir gestehn,
Es sei in dieser Stunde · uns erst ein Leid geschehn.
Wollt ihr hier im Lande · bei unsern Feinden sein,
So könnte Helden niemals · eine Hoffahrt übler gedeihn.«
»Ihr sollt ohne Sorge · Gott befohlen fahren:
Ich schaff euch gut Geleite · und heiß' euch wohl bewahren
Bis zu euerm Lande · mein liebes Kindelein
Das soll euch guten Recken · auf Gnade befohlen sein.«
Als sie das recht vernahmen · sie wolle nicht hindann,
Da huben Siegfrieds Mannen · all zu weinen an.
Mit welchem Herzensjammer · nahm da Siegmund
Urlaub von Kriemhilden! · Da ward ihm Unfreude kund.
»Weh dieses Hofgelages!« · sprach der König hehr.
»Einem König und den Seinen · geschieht wohl nimmermehr
Einer Kurzweil willen · was uns hier ist geschehn:
Man soll uns nimmer wieder · hier bei den Burgunden sehn.«
Da sprachen laut die Degen · in Siegfriedens Heer:
»Wohl möchte noch die Reise · geschehen hieher,
Wenn wir den nur fänden · der uns den Herrn erschlug.
Sie haben Todfeinde · bei seinen Freunden genug.«
Er küßte Kriemhilden · kläglich sprach er da,
Als er daheim zu bleiben · sie so entschlossen sah:
»Wir reiten arm an Freuden · heim in unser Land!
Alle meine Sorgen · sind mir jetzo erst bekannt.«
Sie ritten ungeleitet · von Worms an den Rhein:
Sie mochten wohl des Mutes · in ihrem Sinne sein,
Wenn sie in Feindschaft · würden angerannt,
Daß sich schon wehren sollte · der kühnen Niblungen Hand.
Sie erbaten Urlaub · von niemanden sich.
Da sah man Geiselheren · und Gernot minniglich
Zu dem König kommen · ihnen war sein Schade leid:
Das ließen ihn wohl schauen · die kühnen Helden allbereit.
Da sprach wohlgezogen · der kühne Gernot:
»Wohl weiß es Gott im Himmel · an Siegfriedens Tod
Bin ich ganz unschuldig · ich hört' auch niemals sagen,
Wer ihm Feind hier wäre · ich muß ihn billig beklagen.«
Da gab ihm gut Geleite · Geiselher das Kind.
Er brachte aus dem Lande · das sorgende Gesind',
Den König und seine Recken · heim nach Niederland.
Wie wenig der Verwandten · man dort fröhlich wiederfand!
Wie's ihnen nun ergangen ist · weiß ich nicht zu sagen.
Man hörte hier Kriemhilden · zu allen Zeiten klagen,
Daß ihr niemand tröstete · das Herz noch den Mut
Als ihr Bruder Geiselher · der war getreu und auch gut.
Brunhild die schöne · des Übermutes pflag:
Wieviel Kriemhild weinte · was fragte sie darnach!
Sie war zu Lieb und Treue · ihr nimmermehr bereit;
Bald schuf auch ihr Frau Kriemhild · wohl so ungefüges Leid.
Neunzehntes Abenteuer
Wie der Nibelungenhort nach Worms kam
Als die edle Kriemhild · so verwitwet ward,
Blieb bei ihr im Lande · der Markgraf Eckewart
Zurück mit seinen Mannen · der dient' ihr alle Tage
Und half auch seiner Frauen · daß sie seinen Herrn beklage.
Zu Worms am Münster wies man · ihr ein Gezimmer an,
Weit und geräumig · reich und wohlgetan,
Wo mit dem Gesinde · die Freudenlose saß.
Sie ging zur Kirche gerne · mit großer Andacht tat sie das.
Wo ihr Freund begraben lag · wie fleißig ging sie hin!
Sie tat es alle Tage · mit trauerndem Sinn
Und bat seiner Seele · Gott den Herrn zu pflegen:
Gar oft bejammert wurde · mit großer Treue der Degen.
Ute und ihr Gesinde · sprachen ihr immer zu,
Und doch im wunden Herzen · fand sie so wenig Ruh.
Es konnte nicht verfangen · der Trost, den man ihr bot.
Sie hatte nach dem Freunde · die allergrößeste Not,
Die nach liebem Manne · je ein Weib gewann:
Ihre große Treue · ersah man wohl daran.
Sie klagt' ihn bis zu Ende · da sie zu sterben kam;
Bis sie zuletzt gewaltig · um den kühnen Siegfried Rache nahm.
Sie saß in ihrem Leide · das ist alles wahr,
Nach ihres Mannes Tode · wohl viertehalbes Jahr
Und hatte nie zu Gunthern · gesprochen einen
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