Das Nibelungenlied
Wunde · die er dem Fergen schlug:
Darnach ward von den Degen · befraget Hagen genug.
Als der König Gunther · das heiße Blut ersah
In dem Schiffe schweben · wie bald sprach er da:
»Wo ist denn, Herr Hagen · der Fährmann hingekommen?
Eure starken Kräfte haben · ihm wohl das Leben benommen.«
Da sprach er mit Verleugnen · »Als ich das Schifflein fand
Bei einer wilden Weide · da löst' es meine Hand.
Ich habe keinen Fergen · heute hier gesehn;
Leid ist auch niemand · von meinen Händen geschehn.«
Da sprach von Burgunden · der König Gernot:
»Heute muß ich bangen · um lieber Freunde Tod,
Da wir keinen Schiffmann · hier am Strome sehn:
Wie wir hinüber kommen · darob muß ich in Sorgen stehn.«
Laut rief Hagen · »Legt auf den Boden her,
Ihr Knechte, das Geräte · ich gedenke, daß ich mehr
Der allerbeste Ferge war · den man am Rheine fand:
Ich bring' euch hinüber · gar wohl in Gelfratens Land.«
Daß sie desto schneller · kämen über Flut,
Trieb man hinein die Mähren · ihr Schwimmen ward so gut,
Daß ihnen auch nicht eines · der starke Strom benahm.
Einige trieben ferner · als sie Ermüdung überkam.
Sie trugen zu dem Schiffe · ihr Gut und ihre Wehr,
Nun einmal ihre Reise · nicht zu vermeiden mehr.
Hagen fuhr sie über · da bracht' er an den Strand
Manchen zieren Recken · in das unbekannte Land.
Zum ersten fuhr er über · tausend Ritter hehr
Und seine sechzig Degen · dann kamen ihrer mehr:
Neuntausend Knechte · die bracht' er an das Land.
Des Tages war unmüßig · des kühnen Tronejers Hand.
Da er sie wohlgeborgen · über Flut gebracht,
Da war der fremden Märe · der schnelle Held bedacht,
Die ihm verkündet hatte · das wilde Meerweib:
Dem Kaplan des Königs ging es · da schier an Leben und Leib.
Bei seinem Weihgeräte · er den Pfaffen fand,
Auf dem Heiligtume · sich stützend mit der Hand:
Das kam ihm nicht zugute · als Hagen ihn ersah;
Der unglücksel'ge Priester · viel Beschwerde litt er da.
Er schwang ihn aus dem Schiffe · mit jäher Gewalt.
Da riefen ihrer viele · »Halt, Hagen, halt!«
Geiselher der junge · hub zu zürnen an;
Er wollt' es doch nicht lassen · bis er ihm Leides getan.
Da sprach von Burgunden · der König Gernot:
»Was hilft euch wohl, Herr Hagen · des Kaplanes Tod?
Tat' dies anders jemand · es sollt' ihm werden leid.
Was verschuldete der Priester · daß ihr so wider ihn seid?«
Der Pfaffe schwamm nach Kräften · er hoffte zu entgehn,
Wenn ihm nur jemand hülfe · das konnte nicht geschehn,
Denn der starke Hagen · gar zornig war sein Mut,
Stieß ihn zu Grunde wieder · das dauchte niemanden gut.
Als der arme Pfaffe · hier keine Hülfe sah,
Da wandt' er sich ans Ufer · Beschwerde litt er da.
Ob er nicht schwimmen konnte · doch half ihm Gottes Hand,
Daß er wohlgeborgen · hinwieder kam an den Strand.
Da stand der arme Priester · und schüttelte sein Kleid.
Daran erkannte Hagen · ihm habe Wahrheit,
Unmeidliche, verkündet · das wilde Meerweib.
Er dachte: »Diese Degen · verlieren Leben und Leib.«
Als sie das Schiff entladen · und ans Gestad' geschafft,
Was darauf besessen · der Kön'ge Ritterschaft,
Schlug Hagen es in Stücke · und warf es in die Flut;
Das wunderte gewaltig · die Recken edel und gut.
»Bruder, warum tut ihr das?« · sprach da Dankwart,
»Wie sollen wir hinüber · bei unsrer Wiederfahrt,
Wenn wir von den Heunen · reiten an den Rhein?«
Hernach sagt' ihm Hagen · das könne nimmermehr sein.
Da sprach der Held von Tronje · »Ich tat's mit Wohlbedacht:
Haben wir einen Feigen · in dieses Land gebracht,
Der uns entrinnen möchte · in seines Herzens Not,
Der muß an diesen Wogen · leiden schmählichen Tod.«
Sie führten bei sich einen · aus Burgundenland,
Einen Helden gar behende · Volker war er genannt.
Der redete da launig · nach seinem kühnen Mut:
Was Hagen je begangen · den Fiedler dauchte das gut.
Die Rosse standen harrend · die Säumer wohl geladen;
Sie hatten auf der Reise · bisher noch keinen Schaden
Genommen, der sie schmerzte · als des Königs Kapellan:
Der mußt' auf seinen Füßen · sich zum Rheine suchen Bahn.
Sechsundzwanzigstes Abenteuer
Wie Dankwart Gelfraten erschlug
Als sie nun alle waren · gekommen an den Strand,
Da fragte König Gunther · »Wer soll uns durch das Land
Die rechten Wege weisen · daß wir nicht irre gehn?«
Da sprach der starke Volker · »Laßt mich das Amt nur versehn.«
»Nun haltet an,« sprach Hagen · »sei's Ritter oder Knecht:
Man soll
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