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Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Titel: Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Robertson
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» deshalb ist es so schwer für mich, ihn unglücklich zu sehen. Umso mehr, als ich keine Ahnung habe, wie ich ihm helfen kann.«
    Ein seltsames Gefühl keimte in Mo auf und breitete sich aus. Es war kein Schuldgefühl, sondern eher die beunruhigende Ahnung, dass die Ansicht, die man sein ganzes Leben lang lautstark vertreten hat, auf einer Fehlinformation basiert. Und dass man in Kenntnis aller Fakten keinesfalls den Mund aufgemacht hätte.
    » Glaubst du, Chad ist unglücklich?«, fragte sie ihre Schwiegermutter. » Ich dachte, er wäre nur unglücklich mit mir.«
    » Ich vermute, das eine hängt mit dem anderen zusammen«, erwiderte Virginia. » Lowell ist irgendwo tief im Innern unglücklich, davon bin ich überzeugt. Aber wie ich ihn dazu bringen soll, das zuzugeben– da könnte ich eher versuchen, diese gottverdammten Säcke aus seinem Arbeitszimmer zu räumen. Immerhin könnte ich noch gut Suppe daraus machen!«
    » Virginia«, sagte Mo matt, » du fluchst ja!«
    » Was sollen wir bloß mit unseren unglücklichen Männern machen, Mo?«, fragte Virginia plötzlich ganz forsch und geschäftsmäßig. » Ich nehme an, es besteht keine Chance, dass Chad zu Thanksgiving mit euch allen herkommt?«
    » Eher kriegst du Lowells Kichererbsen in die Finger«, erwiderte Mo düster.
    Doch dann sagte sie: » O mein Gott. Warte mal, ich hab eine Idee…«
    Um Punkt halb sechs klopfte Aishe an Nicos Bürotür und trat ein.
    Er wirkte nicht gerade bestürzt, sie zu sehen, war aber eindeutig argwöhnisch. Tja, dachte Aishe, wegen mir wird er sich keine Sorgen mehr machen müssen.
    » Hallo«, begann sie, bevor er etwas sagen konnte. » Ich kündige. Heute war mein letzter Tag.« Dann fiel ihr auf, was das bedeutete, und fügte hinzu: » Tut mir leid, dass es so kurzfristig ist.«
    Nico starrte sie an, dann erhob er sich hinter seinem Schreibtisch, umrundete ihn und setzte sich vor ihr auf eine seiner Kanten.
    » Es ist wohl zwecklos, sich nach den Gründen zu erkundigen?«, fragte er.
    » Interessiert es dich denn?« Kaum war Aishe das herausgerutscht, bedauerte sie es schon.
    Nico schüttelte mit verhaltenem Lächeln den Kopf. » Du erinnerst mich an diese Kragenechsen«, sagte er. » Du weißt schon, die immer so machen…« Er spreizte die Finger zu beiden Seiten des Kopfs, » wenn sie sich bedroht fühlen.«
    » Ich erinnere dich an eine Echse«, wiederholte Aishe ausdruckslos.
    Nico schenkte ihr erneut ein verhaltenes Lächeln und sah dann zur Uhr an der Wand seines Büros hoch.
    » Wollen wir ein Bier trinken gehen?«, fragte er.
    Verblüfft und beunruhigt merkte Aishe, dass ihr die Tränen kamen. Sie hatte erwartet, dass ihre Kündigung kurz und schmerzlos über die Bühne ginge– sie würde sie anbieten, Nico würde sie annehmen, und damit wäre die Sache erledigt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so nett zu ihr wäre.
    » Ich dachte, du trinkst nicht«, sagte sie.
    » Ehrlich?« Nico runzelte die Stirn. » Wie kommst du denn darauf?«
    Aishe zuckte die Achseln. » Weil du immer so– seriös wirkst.«
    Nico brüllte vor Lachen. » Ich glaube, ein paar Bierchen machen nicht gleich Ted Bundy aus mir. Ich mag mir ja vormachen, ich wäre Tony Bennett, aber das war’s auch schon.«
    » Du singst, wenn du trinkst?«, fragte Aishe.
    » Oh ja«, erwiderte Nico. » Und zwar genauso schlecht, wie ich Schlagzeug spiele.« Er neigte den Kopf. » Willst du es riskieren?«
    Aishe war stark in Versuchung. Jemand, mit dem man lachen, mit dem man wirklich reden konnte– wie lange hatte sie so jemanden nicht mehr gehabt? Seit Frank, erkannte sie leicht geschockt. Und das ist elf Jahre her. Seit elf Jahren hab ich niemandem mehr genug vertraut, um mich zu öffnen…
    » Danke«, sagte sie zu Nico. » Aber ich fahr lieber nach Hause.«
    Einen Augenblick sah es so aus, als wollte Nico sie überreden.
    Doch dann sagte er: » Okay. Dann ein andermal. Und das ist nicht nur Höflichkeit, sondern ernst gemeint.«
    » Ich weiß«, erwiderte Aishe. Steif, als wäre ihr diese Bewegung fremd, streckte sie die Hand aus. » Danke.«
    Nico nahm ihre Hand in seine großen, tätowierten Pranken und drückte sie.
    » Pass auf dich auf, Aishe Herne«, sagte er. » Es kommt dir vielleicht verrückt vor, aber ich werde dich vermissen.«
    Aishe musste ganze zehn Minuten in ihrem Wagen sitzen, bis sie sich entscheiden konnte, ob sie weinen würde oder nicht. Nein, dachte sie. Noch nicht.
    Dafür ist später noch massig Zeit.
    » Ach, bitte, komm

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