Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
verdrehte die Augen. » Bis dahin sind es ja noch Jahre.«
Nein, nur eine Nanosekunde, dachte Aishe, als sie in ihren Wagen stieg. Aber danach wird sich die Zeit bis in die Unendlichkeit ausdehnen.
Mo brauchte unbedingt jemanden zum Reden. Connie sollte erst am folgenden Tag abreisen. Aber bis dahin hat sie sicher reichlich zu tun, dachte Mo. Die Buchungen überprüfen, nachsehen, ob alle Wasserhähne sauber sind und so weiter. Wäre ich eine gute Freundin, würde ich sie nicht belästigen. Und ich will eine gute Freundin sein, wirklich.
Aishe, das wusste Mo, war arbeiten. Und sie hat selbst genug um die Ohren, entschied sie, außerdem bin ich nicht sicher, ob sie mich wirklich so nah an sich ranlassen würde. Wahrscheinlich würden wir volltrunken in einer Bar enden, und das wäre auch nur vorübergehend lustig.
Darrell hatte bislang nicht zurückgerufen, und Mo wusste nicht, ob sie gekränkt oder besorgt sein sollte. Das ließ sich am besten herausfinden, indem sie nochmal anrief. Ansonsten fiel ihr niemand mehr ein.
Mo wählte also Darrells Handynummer, geriet aber wieder nur an die Mailbox.
» Hör mal, es tut mir leid, aber wo zum Teufel steckst du?«, sagte sie nach dem Piepton. » Ich mach mir Sorgen, ich bin stinksauer und brauche eine Freundin. Ruf mich an! Ruf mich wenigstens an, um zu sagen, dass du nie mehr anrufst! Das tun Freunde nämlich!«
Das war’s, dachte sie. Mein Vorrat an Menschen, denen ich etwas bedeute, ist hiermit erschöpft. Ich hab zwar einen Haufen nette Bekannte, mit denen ich gerne einen Kaffee trinken würde– wenn sie nicht in Charlotte wohnten–, aber niemanden, bei dem ich mich schön ausheulen könnte. Wenn ›schön‹ das richtige Wort dafür ist.
Dann fiel ihr doch noch jemand ein. Patrick! Natürlich! Der käme ohne Weiteres mit regelrecheten Tränenfluten klar.
» Patrick King«, meldete sich seine Mailbox. » Hinterlassen Sie eine Nachricht.«
Scheiße auch, dachte Mo. Stimmt ja, er ist in Napa und überbringt den Besitzern der Weinkellerei die schlechte Nachricht, dass ihr Baby hässlich ist. Obwohl er wahrscheinlich Begriffe wie ›schwierige Vermarktung‹ und ›problematisches Timing‹ benutzen wird, damit seine Ablehnung so klingt, als wäre irgendwer anderes daran schuld.
Mo hatte Darrell gegenüber einmal gewitzelt, die Nummer ihrer Mutter sei unter ›W ‹ abgespeichert, für ›W enn sonst keiner mehr da ist, den ich anrufen kann‹. Aber so verzweifelt bin ich dann doch nicht, dachte sie. Fast, aber noch nicht ganz.
Dann schoss ihr noch ein weiterer Name durch den Kopf. Und obwohl ihr die Idee am Anfang bizarr vorkam, erschien sie ihr nach längerer Überlegung ziemlich zwingend. Schließlich sitzen wir in genau demselben Boot, dachte sie. Sozusagen…
» Virginia«, sagte sie, als am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde. » Hier spricht Mo.«
» Oh!« Selbst Virginias tadellose Manieren versagten angesichts dieser Situation. » Du rufst mich an!«
» Ja, ich weiß«, sagte Mo. » Ist für mich auch ein Schock.«
» Was ist denn los?«, fragte Virginia und klang plötzlich besorgt. » Geht es den Kindern gut?«
» Ja, ja, prächtig«, versicherte Mo. » Absolut prächtig.«
» Und– Chad?«, fragte Virginia vorsichtig.
» Körperlich? Gut. Seelisch? Weiß ich nicht genau.« Mo beschloss, direkt ins kalte Wasser zu springen. » Ich glaube, er überlegt, ob er mich verlassen soll.«
» Mo!«
Mo konnte sich lebhaft vorstellen, wie Virginia in diesem Moment aussah. Stocksteif, die Hand an die Perlenkette gedrückt, die sie immer trug.
» Er hat diese fixe Idee, dass wir alle für ein Jahr um die Welt reisen sollten. Um das zu finanzieren, sollen wir unser Haus in Charlotte verkaufen. Gott weiß, was er machen will, wenn wir wieder zurück sind– wahrscheinlich in einem Wohnwagenpark leben. Ein paar Kröten mit Jagen und Schnapsbrennen verdienen.«
» Und du willst nicht mit, nehme ich an?«
» Nein! Das war nicht verabredet!« Mo atmete geräuschvoll aus. » Deshalb habe ich Angst, er könnte mich verlassen. Er ist wild entschlossen– aber mich kriegt er nur über meine Leiche dazu.«
» Die du wohl nicht in einem Wikingerboot verbrennen lassen willst?«
» Virginia?« Mo traute ihren Ohren nicht. » Hast du gerade einen Witz gemacht?«
Ihre Schwiegermutter überhörte das und fragte stattdessen: » Liebst du Chad?«
» Selbstverständlich liebe ich ihn. Aber er ist einfach…«
» Ich liebe meinen Mann sehr«, sagte Virginia,
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