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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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habe gemerkt, daß du den Frauen gewachsen bist.« Sîfrit trat beiseite und ließ sie liegen, als wolle er seine Kleider ausziehen. Er zog ihr aber einen Ring von der Hand, ohne daß sie es merkte, und nahm auch ihren Gürtel mit. Ich weiß nicht, ob er das aus Übermut tat. Er gab beides Kriemhilt, aber das schlug übel aus. Nun lagen Gunther und seine Liebste beisammen. Er liebtesie innig, und sie vergaß Zorn und Scham. Sie wurde bleich unter seiner Zärtlichkeit, ach, die Liebe nahm ihre große Kraft dahin. Nun war auch sie nicht stärker als andere Frauen. Was hätte ihr jetzt noch Gegenwehr nützen können? Gunthers Liebe hatte sie geschwächt. Mit welcher Hingabe sie ihm beilag bis zum lichten Morgen! Sîfrit war zu seiner Frau gegangen. Er wich den Fragen aus, die sie sich inzwischen zurechtgelegt hatte. Er verbarg vor ihr lange Zeit, was er mitgebracht hatte. Erst als sie Königin war in seinem eigenen Land, schenkte er ihr den Gürtel und den Ring.
    Der Herr von Burgund war am folgenden Morgen weit besser gestimmt als früher. So waren alle in der festlichsten Stimmung, die eingeladen waren: Man behandelte sie mit großer Ehrerbietung. Das Fest dauerte vierzehn Tage, und der freudige Lärm der Gäste schwieg an keinem. Der Aufwand des Königs wurde sehr hoch eingeschätzt. Die Verwandten Gunthers teilten in seinem Namen Kleidung und Pferde und Gold und Silber an manchen Fahrenden aus, und die Beschenkten zogen fröhlich von dannen. Auch die Kleidung der Nibelungen wurde bis auf den letzten Rest verschenkt, samt Pferden und Sätteln: sie wußten zu leben. Ehe noch die Geschenke verteilt waren, wurde denen schon die Zeit lang, die nach Hause zurückwollten. So ging die Hochzeit zu Ende.

11 . WIE SÎFRIT MIT SEINER FRAU HEIMKEHRTE
    Als die Gäste alle fort waren, sprach Sîfrit zu seinem Heer: »Wir wollen uns auch auf die Reise vorbereiten.« Seiner Frau war es recht. »Wann werden wir aufbrechen?« fragte sie ihn. »Ich möchte aber nicht, daß wir uns übereilen. Erstsollen meine Brüder mir meinen Teil vom Land geben.« Damit war Sîfrit nicht einverstanden. Die Fürsten kamen alle drei zu ihm und sagten: »Seid versichert, Herr Sîfrit, daß wir Euch bis in den Tod zu Diensten sein wollen.« Sîfrit verbeugte sich vor ihnen für dieses Wohlwollen, und Gîselher sprach: »Wir wollen nun Land und Burgen mit Euch teilen. Von unserem weiten Reich sollt Ihr und Kriemhilt einen angemessenen Teil erhalten.« Sîfrit hatte den guten Willen der Könige gesehen, nun antwortete er: »Gott möge Euch Euer Erbe in Fülle erhalten und Eure Völker. Aber meine Frau kann ohne ihren Anteil auskommen. Wo sie die Krone tragen soll, wird sie mächtiger sein als irgendein Sterblicher. In allem übrigen bin ich Euch zu Diensten.« Kriemhilt sagte: »Könnt Ihr auch auf das Erbteil verzichten, so möchte ich doch die burgundischen Krieger nicht so leicht entbehren. Die nimmt ein König gern mit in seine Länder, und meine Brüder sollen sie mit dir teilen.« Gêrnôt antwortete: »Nimm dir, wen du willst. Viele werden gern mit dir kommen. Von dreitausend Kriegern geben wir dir tausend; die sollen für deinen persönlichen Dienst sein.« Kriemhilt ließ nach Hagen von Tronege schicken und nach Ortwîn und fragte sie, ob sie und ihre Angehörigen in ihre Dienste kommen wollten. Da wurde Hagen zornig und sagte: »Uns kann Gunther an niemand in der Welt vergeben. Ihr mögt Euer übriges Gesinde mitnehmen, aber Ihr wißt doch Bescheid mit denen von Tronege: Wir bleiben bei den Königen am Hof und wollen auch fernerhin denen dienen, die bisher unsere Herren waren.« Dabei ließen sie es bewenden.
    Sie bereiteten die Reise vor. Kriemhilt rief ihren Hofstaat zusammen, das waren zweiunddreißig Mädchen und fünfhundert Männer. Der Graf Eckewart ging mit Sîfrit. Unter Küssen nahmen sie alle Abschied: Ritter und Knechte, Damenund Mägde, und verließen Burgund guten Mutes. Ihre Verwandten begleiteten sie noch weit. Im ganzen Land war befohlen, ihnen Nachtquartier herzurichten, wo sie wollten.
    Bald wurden Boten zu Sigemunt gesandt, um ihm und Sigelint anzukündigen, daß ihr Sohn mit der schönen Tochter der Königin Uote, Kriemhilt aus Worms, ankommen werde. »Wohl mir«, sagte Sigemunt da, »daß ich erleben soll, wie Kriemhilt hier gekrönt wird. Das wird meinem Erbe den schönsten Glanz verleihen. Nun soll Sîfrit selbst König sein.« Sigelint teilte roten Samt aus und Silber und schweres Gold: Das war der Botenlohn. Sie freute

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