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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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sich nun, wer ein Held war. Die Frauen sahen den Kämpfen zu. Ich glaube, Sîfrit ist mit seinen Männern unzählige Male vor den Zelten hin und her geritten. Dann kam Hagen von Tronege im Auftrag des Königs und bat, die Spiele abzubrechen, damit die Frauen nicht unter dem Staub litten, und die Gäste gehorchten bereitwillig. Gêrnôt sagte: »Laßt die Pferde stehen, bis es kühler wird, dann wollen wir die Herrinnen zur Burg geleiten. Seid bereit, wenn der König reiten will.« Als der Wettkampf sich überall gelöst hatte, gingen dieRitter in die Zelte und unterhielten sich in der Gesellschaft der Frauen, bis die Zeit des Einritts da war. Am Abend, gegen Sonnenuntergang, ritten sie mit den Frauen zum Palast, zärtliche Blicke wechselnd. Die begeisterten Ritter zerrissen so manches Gewand beim Reiten, wie es Sitte war in Burgund, bis der König im Burghof abstieg. Dabei wurden die Königinnen getrennt. Frau Uote und Kriemhilt gingen mit ihrem Gefolge in ein geräumiges Gemach. Überall war fröhlicher Lärm zu hören. Das Gestühl wurde aufgestellt, denn Gunther wollte zu Tisch gehen. Neben ihm stand Prünhilt, und sie trug die reiche Krone des Landes. Für das Gefolge wurden breite Tafeln gedeckt, auf denen nichts fehlte. Die Kämmerer des Königs brachten das Waschwasser in goldenen Becken. Es nützte nichts, daß man euch sagte, die Bedienung sei bei anderen Festen besser gewesen, ich würde es ja doch nicht glauben. Ehe Gunther sich dem Wasser zuwandte, mahnte Sîfrit ihn an das Versprechen, das er ihm vor der Islandfahrt gegeben hatte.
    Er sagte: »Nun besinnt Euch, daß Ihr mir zugeschworen habt, Ihr wolltet mir Kriemhilt geben, wenn Prünhilt nach Burgund gekommen sei. Was ist daraus geworden? Ich habe viel Mühe gehabt mit Eurer Reise.« Der König antwortete ihm: »Ihr erinnert mich mit vollem Recht. Meine Hand soll gewiß hierin nicht meineidig werden. Ich will Euch behilflich sein, so gut ich immer kann.« Kriemhilt wurde zu Hofe gebeten. Sie kam mit ihren Mädchen durch den Saal gegangen, aber Gîselher lief ihr entgegen und ließ sie das Gefolge wieder zurückschicken. »Niemand als meine Schwester soll zum König kommen.« Sie wurde vor Gunther geführt. In dem weiten Saal standen die Ritter aus aller Fürsten Länder. Die Gespräche verstummten. Prünhilt war inzwischen zu ihrem Platz am Tisch gegangen. Gunther sagte: »Liebe Schwester, löse meinen Eid ein umdeiner Tugend willen. Ich habe dich eidlich einem Ritter versprochen, und wenn du seine Frau wirst, so hast du meinen Wunsch in allen Ehren erfüllt.« Kriemhilt antwortete: »Lieber Bruder, Ihr braucht mich nicht zu bitten. Ich werde immer tun, was Ihr mir befehlt. Ich will den Mann gern nehmen, den Ihr mir gebt.« Sîfrit errötete unter ihren liebevollen Blicken. Er verbeugte sich vor ihr. Sie traten zueinander in den Kreis der Ritter. Sie wurde gefragt, ob sie Sîfrit nehmen wolle. Befangenheit ließ sie zögern, aber Sîfrits Schicksal wollte es, daß sie ihn nicht ablehnte. Der König der Niederlande gelobte feierlich, sie zur Frau zu nehmen. Als sie sich einander versprochen hatten, umarmten und küßten sie sich vor allen Zuschauern.
    Das Gefolge verteilte sich an die Tische. An der Gegenseite saß Sîfrit mit Kriemhilt inmitten der Nibelungen. Prünhilt, die an der anderen Seite neben Gunther saß, sah Kriemhilt neben Sîfrit, und sie war so betrübt, daß sie weinte. Gunther fragte sie nach ihrem Kummer. »Solltet Ihr Euch nicht freuen? Mein Land und meine Burgen und mancher stolze Ritter sind Euch nun untertan.« – »Ich habe wohl Grund zu weinen«, antwortete sie. »Um deine Schwester tut es mir leid. Ich sehe sie neben deinem Leibeigenen sitzen, und ich weine über ihre Erniedrigung.« Gunther sagte: »Sprechen wir nicht davon. Ich will Euch ein andermal erzählen, warum ich ihm meine Schwester gegeben habe. Möge sie in Freuden mit ihm leben.« Prünhilt wandte ein: »Mich jammert ihre Schönheit und ihre höfische Tugend. Wenn ich nur wüßte, wohin, würde ich fliehen und nicht mit Euch schlafen, bevor Ihr mir sagt, wieso Kriemhilt die Frau von Sîfrit werden konnte.« Der König sagte ihr nun, daß Sîfrit so viele Burgen und weites Land besitze wie er selbst, er sei ein mächtiger König, und darum habe er ihm Kriemhilt zur Frau gegeben. Aber ihr gefiel nicht, was Gunther sagte.
    Nach dem Essen verließen die Ritter die Tische, und der Turnierlärm schallte wieder gewaltig durch die Burg. Aber den Gastgeber litt es nicht in

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