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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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schreiben. »Hier!« Sie riß einen Scheck heraus und fuchtelte damit in der Luft herum, ein Banner guten Glaubens, das in der Brise trocknete.
    »Paß auf …«, brachte ich heraus. »Jane. Bei meiner Ehre, oder den Krümeln, die davon noch übrig sind, ich kann dein Geld nicht annehmen. Ich verstehe nicht, was ich eigentlich für dich tun soll, ich bezweifle, daß ich Manns genug bin, es zu tun, und es besteht die, um’s charmant auszudrücken, rasende Gewißheit, daß dein Verstand fremdgeht. Du solltest … jemanden konsultieren.«
    Was ich mit »jemandem« meinte, war mir nicht klar. Doktor, Psychiater, Priester, nehme ich an. Überschäumende Heuchelei seitens eines Mannes, der an solchen Unflat nicht glaubt, aber was zum Teufel hätte ich denn sonst sagen sollen?
    »Ich möchte, daß du nach Swafford fährst. Ich möchte, daß du meinen Verwandten erzählst, du wolltest Onkel Michaels Biografie schreiben«, sagte sie und reichte mir den Scheck. »Du bist wahrscheinlich der einzige Mensch auf Erden, dem er so ein Projekt erlauben würde.«
    Ich hielt einen ordnungsgemäß unterschriebenen und datierten Scheck über einhunderttausend Pfund im Schoß. Eine Filiale meiner Bank liegt in der Nähe des U-Bahnhofs South Kensington. Binnen zehn Minuten konnte ich aus dem Haus sein und einen Einzahlungsschein ausfüllen.
    »Es gibt«, sagte ich, »Berufsschreiber, die dir für einen Bruchteil dieser Summe ganze Familiengeschichten zusammentragen würden. Man nennt das Eitelkeitspublikationen.«
    »Du hast es noch nicht verstanden«, sagte sie. »Du wirst keine Familiengeschichte schreiben, du wirst etwas Phänomenisches berichten.«
    »Phänomenales«, murmelte ich gereizt.
    »Du wirst ein
Wunder
bezeugen.«
    »Ein Wunder. Verstehe. Und was genau für ein Wunder?«
    Sie stockte. »Ich möchte, daß du nach Swafford fährst und deine Berichte ablieferst«, sagte sie. »Schreib mir regelmäßig. Ich bin gespannt, ob dir etwas auffällt. Du hältst mich für verrückt, aber ich weiß, daß du, wenn du hinkommst, selbst sehen wirst, was es zu sehen gibt.«
    Ich verließ das Haus, walzte die Brompton Road hoch und reflektierte so eifrig wie ein beschlagener Spiegel im Sonnenschein. Jane war natürlich verrückt, aber ihr Scheck gesund und liebreizend gedeckt. Die Frage war jetzt nur, wie ich an eine Einladung nach Swafford herankam. Die Frage war, wieviel Arbeit ich für das Geld erledigen mußte. Die Frage war, was für Arbeit ich für mein Geld erledigen sollte. Ich haßte das Weibsstück dafür, mir nicht erzählt zu haben, wonach ich eigentlich Ausschau halten sollte. Hätte sie mir wenigstens den kleinsten Hinweis gegeben, dann hätte ich es so einrichten können, ihre Wahnvorstellungen aufzuplustern, indem ich sie zu bestätigen schien. Aber was waren das für Wahnvorstellungen? Mein letzter Besuch in Swafford war zwar durchaus unterhaltsam gewesen, hatte aber nicht gerade Wunder offenbart.

ZWEI
     
     
    Lord Logan kniete zwischen seinen Söhnen und zeigte auf den Turm. David blickte hoch. Durch den Abendnebel sah er das Zifferblatt, frisch gestrichen in Gold auf blauem Grund.
    »Ganz toll, Dad«, sagte Simon gerade. »Ist das echtes Gold?«
    Lord Logan lachte.
    »Vergoldet.«
    »Im Salon ist es aber Gold. Hast du selbst gesagt.«
    »Im Salon ja.«
    »Und im chinesischen Zimmer, Dad, und in der Kapelle?«
    »Blattgold.«
    »Blattgold«, wiederholte Simon zufrieden. »Die Dekorateure haben mir das Buch gezeigt. Jede einzelne Seite war aus reinem Gold.«
    David verdrehte die Augen. Das elektrische Licht verwob den Nebel um die Uhr herum zu einem gelben Ball, der über den Stallungen schwebte.
    »Also«, sagte Lord Logan. »Wie spät ist es?«
    »Äh, also«, sagte Simon und legte die Hand hinter die Ohren.
    Auch David schaute empor und sah, daß es etwa eine halbe Minute vor zehn war. Im Kopf ließ er den Countdown beginnen.
    Lord Logan zog die Knaben an sich und machte mit der Zunge ein Tick-Tack-Geräusch. Er spürte Davids warme Hand in der einen und Simons kalte in der anderen.
    David wartete auf das schleifende Surren, das dem Schlagen immer voranging. Eins der großen Jagdpferde stampfte im Stall, und in der Ferne hörte David das Jaulen der Beaglewelpen in den Hundezwingern.
    Die Uhr gab keinen Ton von sich. Sie standen nicht direkt vor ihr, daher nahm David an, daß ihr Winkel den Zeiger weiter fortgeschritten erscheinen ließ, als er wirklich war. Er fing einen neuen Countdown bei zehn an. Simon hatte gesagt,

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