Das Nilpferd
soll, eine so bewußte Handlung durchzuführen wie das Zielen mit einem Gewehr und Drückendes Abzugs. Eine meiner eigenwilligeren Therapeutinnen versuchte, mich in einen ähnlichen Geisteszustand zu versetzen, als Teil einer Prozedur, die mein Blut heilen oder reinigen sollte. Ihre Methode hatte etwas mit Alpha- und Thetawellen im Gehirn zu tun. Die braucht man für den Biofeedback – das ist der übliche Name für diese Methode. Wir befanden uns als Gruppe in einem Zimmer, lagen auf Couches, alles Leukämie- und Aidspatienten, und mußten uns total entspannen, bis unsere Theta- und Alphawellen rauschten oder strahlten oder eremitierten oder was die nun grade machen, und dann ließen sie uns mit unseren Körpern kommunizieren.
»Stellt euch euer Blut als einen Strom von Kristallen vor, absolut rein und absolut klar«, sagte sie etwa. »Stellt euch vor, wie sanft es fließt und wellt und gleitet. Aber jetzt schaut tiefer in das Blut, unter seiner Oberfläche liegt ein Knäuel Tang. Ihr glaubt, ihr könnt es nicht erreichen, aber das könnt ihr. Ihr könnt es erreichen, ihr könnt in den Strom hinabgreifen. Beugt euch vor, und greift in den Strom, und nehmt den Tangknoten, nehmt ihn in die Hand. Er ist wie Gelee. Fühlt sich an wie Gelee. Reibt ihn zwischen euren Fingern. Ihr könnt ihn zusammendrücken und mit den Fingern zerreiben, bis er sich auflöst. Wenn er sich auflöst, könnt ihr eure Hände ins Wasser tauchen und die aufgelösten Reste vom Strom hinwegspülen lassen. Der ganze Tang wird entwirrt und aufgelöst, und all seine winzigen Teilchen fließen jetzt frei und leicht den Strom hinab und verlieren sich im Ozean. Jetzt ist der Fluß wieder rein und frei und klar.«
Das alles ging stundenlang so weiter und kostete Tausende, wie Du Dir denken kannst. Im Kopf funktioniert es ein Stück weit. Aber egal, wie doll ich mich entspannte, immer, wenn sie sagte, ich solle das Gelee mit den Fingernzerreiben, betrachtete ich meine Hände (im Geist, meine ich), und etwas in meinem Kopf brachte die Stränge dazu, hart und verfilzt und knotig und unauflöslich zu werden. Ich zwang sie dazu, wieder zu Gelee zu werden, zu etwas mit der Konsistenz von zu lange gekochten Spaghetti, und dann habe ich gerieben und gerieben und dachte, ich hätte gewonnen, aber dieser Dämon in meinem Kopf zwang mich, im Kern der weichen Spaghetti noch ein Knäuel aus groben schwarzen Fasern zu sehen. Und so ging es immer weiter, ein Teil von mir war bereit, den Tang aufzulösen, ein anderer zwang mich zu der Einsicht, daß das Herz des Tangs böse und unüberwindbar sei. Wenn die Sitzung dann vorbei war, lächelte ich die Heilerin genauso glückselig an wie alle anderen, um ihre Gefühle nicht zu verletzen (blödsinnig, wenn man bedenkt, wieviel Geld sie aus uns rausholte), und sagte, daß ich einen überwältigenden Frieden verspürte, aber ich wußte, daß der kleine Knoten immer noch da war.
Ich bin die einzige aus dieser Gruppe, die noch am Leben ist.
Ich muß mich beeilen, wenn ich den Brief noch aufgeben will. Ich möchte, daß Du ihn unbedingt hast, bevor Onkel Michael ankommt.
Ted, ich weiß, daß ich das Richtige getan habe, als ich Dich nach Swafford geschickt habe. Die Länge Deines Briefes und Dein jetziger Gemütszustand zeigen mir, daß Gott in seiner überwältigenden Güte einen Weg gefunden hat, auf dem er uns beide durch ein und dieselbe Handlung zur Erlösung führt. So war es doch seine Fügung, die Dich zu meinem Patenonkel gemacht hat.
Vergib mir, wenn Dir das zu direkt auf die Nase gebunden ist, wie man in Amerika sagt, aber ich habe kein Interesse mehr daran, Verlegenheiten aus dem Weg zu gehen.Wenn mein jüngeres Ich diesen Brief lesen könnte, wäre es selbst in Millionen Jahren nicht davon zu überzeugen, daß ich ihn geschrieben habe.
Schreib, sobald du kannst und soviel du kannst. Wenn die Möglichkeit besteht, daß Du Dir eine Schreibmaschine oder einen Computer leihst, würde mir das entzündete Augen und Kopfschmerzen ersparen …
Alles Liebe und in der Hoffnung auf Neuigkeiten,
Jane
II
Swafford
Freitag/Samstag, 24./25. Juli
Jane,
wie du siehst, bin ich widerstrebend deiner bitte nachgekommen und habe eine maschine aufgespürt. Sie gehört simon und scheint ziemlich wenig gebraucht zu werden, sie macht mit den worten das gleiche wie die Firma KRAFT mit Käse.
anscheinend haue ich zu heftig auf die tasten, weil ich mechanische Schreibmaschinen gewohnt bin. AU?ERDEM VERSTEHE ICH DIESE
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