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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Speisekammer; Dielenknarren beim Einschalten der Nachtspeicherheizung. Nichts davon paßt zu dem Geräusch, also beginnst du, gegen die aufsteigende Panik ankämpfend, weniger wahrscheinliche Gründe in Betracht zu ziehen: eine Maus in ihren letzten Zuckungen; eine Fledermaus, die durch die Küche schwirrt; nicht abgeschaltetesKinderspielzeug; die Katze, die aus Versehen (oder mit Absicht) auf die Fernbedienung getappt ist und eine Videokassette zurückspult, aber auch davon erklärt nichts dieses ganz bestimmte Geräusch, also … wenn du mir im geringsten ähnelst, jagst du die Treppe hoch, springst wieder ins Bett, ziehst dir die Decke übern Kopf und spielst die Ahnungslose.
    Ich ging zurück zum Grabenrand und schaute über die dahinter liegende Parklandschaft. Ich konnte dort kein Anzeichen von Fußspuren sehen, aber vielleicht stand ich im falschen Winkel. Mit dem Gefühl, der letzte Schwachkopf zu sein, schlitterte ich die Böschung hinunter und zog mich an der steilen Seite des Grabens hoch, mit der vollen Flasche Zehnjährigem als einziger Waffe. Wieder auf Parkhöhe, ging ich durchs dichte Gras und suchte nach Zeichen menschlicher Schritte. Fehlanzeige. Keine Spur. Ich sah mich um und sah deutliche Spuren meines Herwegs. Unmöglich konnte irgend jemand hier entlanggekommen sein. Ich ging weiter und stieß plötzlich ohne Vorwarnung mit der Zehe gegen etwas Hartes und Metallisches. Wie ein schottischer Volkstänzer herumhüpfend, stieß ich einen unterdrückten Schrei aus und fiel hin. Ein abscheulicher Schmerz schoß in meine kalte, nasse Zehe und ein abscheulicher Strom von Verwünschungen aus meinem kalten, nassen Mund. Es war ein in einem großen Büschel längeren Grases halb verborgener Eimer, ein schwerer, galvanisierter Eimer.
    Ich erhob mich und hüpfte, vom Schmerz gekrümmt, herum; der Nagel meiner großen Zehe, der zum Einwachsen neigt, war heftig gegen die Schuhspitze geschlagen. Ich zog den Korken aus der Flasche und setzte sie an die Lippen. Als das Whiskybouquet mir in die Nase stieg, hielt ich inne.
    Der Vorfall hatte etwas unerklärlich Idiotisches und Jämmerliches, zugleich aber äußerst Beunruhigendes. EineFußspur, die nirgends hinführt; ein Mann, der ihr mit einer Flasche Whisky in der Hand folgt; der Weg endet damit, daß ich fast ins Gras beiße. Ich bin, wie Du weißt, nicht abergläubisch, Jane. Ich glaube an keine Symbole der Vorsehung, sondern einzig und allein an von Menschen erschaffene Symbole, aber ich wäre doch wahrlich ein arschgelöcherter, schweinsköpfiger, bigotter Rationalist, wenn mich eine solche traumähnliche Sequenz nicht nachdenklich stimmte.
    Ich fluchte, preßte den Korken wieder auf die Flasche, ohne auch nur einen Tropfen probiert zu haben, hob den Arm und ließ die Flasche mit einem Klingen und Klirren in den Eimer fallen. Bloß dieses eine Mal, entschied ich, würde ich mir ein wenig Aberglaube gestatten. Warum sollte ich, wo ich schon mal hier war, bei den Komatropfen nicht etwas kürzer treten?
    Nachdem ich dem Graben ein zweites Mal entkommen war, hoppelte ich zum Haus zurück und schlug mir vor Verärgerung auf die Schenkel. Mit jedem Schritt, der mich weiter vom Graben wegbrachte, wuchsen meine Selbstvorwürfe. Was ist das für ein Mann, der eine volle Flasche zehnjährigen Malt wegwirft? Vielleicht hatte ich gar nicht zuviel getrunken, sondern eher zuwenig; auf jeden Fall hatte ich zuwenig geschlafen; und am allerschlimmsten, ich hatte es nicht geschafft, diesen ersten Brief an Dich zu beenden. Das Weitertrinken verschob ich auf später am Tage, auch der Schlaf konnte mir gestohlen bleiben. Aber jetzt habe ich so ziemlich alles gesagt, was zu sagen war; wenn auch das meiste davon ziemlich unzusammenhängend, ich bin saumäßig müde, und meine Faust kann keine Buchstaben mehr formen, also verpiß Dich, Schatz, und laß mich in Ruhe.
    Dein ergebenster Patenonkel Ted

IV
     
     
    David starrte vorwurfsvoll an die Decke. Er hatte wieder einmal die fürchterliche Sache. Egal, in welche stinkenden Gullys oder auf welche transzendenten Kirchturmspitzen er seine Gedanken zwang, immer noch staute das Blut sich in jener schmerzenden Wurzel, und immer noch glühten seine Wangen vor pochender Hitze.
    »Runter!« keuchte er. »Runter, runter, runter.«
    Er wußte, was bevorstand. Er wußte ganz genau, daß seine Eier mit Samen vollgepackt waren und schmerzten, daß seine Kanäle und Röhren pulsten und schwollen unter dem Drang zu entladen. Seit mindestens

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