Das Nilpferd
»fischgleichem Karma« in bezug auf David meintest. Ich weiß, daß David der Natur nacheifert, aber das schien mir doch etwas zu weit zu gehen, bis ich merkte, daß Du »füllenhaften Charme« meintest. Ein andermal bezeichnest Du Dich selbst als Rotarier, was mir unwahrscheinlich vorkam. Ich habe jetzt beschlossen, daß es »Bohemien« heißen soll. Als ich schließlich zu dem Satz kam, »Machen wir uns doch nichts vor; ich trete als von Dir geprahlter Sermon auf«, konnte ich nur annehmen, daß der Whisky Dich übermannt hatte. Inzwischen bin ich nach Auszählung der Buchstaben und seit ich Deine Federführung besser kenne, zu der Entscheidung gelangt, daß Du eigentlich schreiben wolltest, »ich trete als von Dir bezahlter Spion auf«.
Das bringt mich auf mein Hauptanliegen. Ted, ich möchte nicht, daß Du Dir als Schlange an Logans Busen vorkommst oder als Viper auf Swaffords Rasen. Ganz amAnfang Deines Briefes hast Du eine Anspielung auf das trojanische Pferd gemacht, und auch das ist eine schlechte Anallegorie. Du bist ein alter Freund und jetzt ein Gast von Michael und Anne Logan. Du bist Taufpate eines ihrer Kinder. Es ist doch wohl nichts Besonderes daran, wenn Du eine Zeit lang bei ihnen bleibst, oder? Obwohl es richtig ist, daß ich Dich gebeten habe, nach Swafford Hall zu fahren, und daß ich es auch bin, die Dich dafür bezahlt, daß Du mir Deine Eindrücke schilderst, habe ich das doch in dem sicheren Wissen getan, dem
sicheren Wissen
, daß Du, wenn Du erst einmal für eine Weile dort bist, herausfinden wirst, daß Dein eigenes Gespür als Schriftsteller und als Freund der Logans Dich freiwillig dort festhalten werden. Ich bin sogar sicher, daß keine zehn Pferde Dich von dem Ort fortzerren können werden. Du kannst Dich mit ebensowenig Berechtigung einen bezahlten Spion nennen, wie ein seriöser Fotojournalist sich für einen Schnüffler halten muß.
Du glaubst vielleicht, daß Du bei Verfolgung dieser Angelegenheit bloß dem Spleen einer sterbenden Neurotikerin nachgibst, die verrückt genug ist, Dir dafür eine Stange Geld zu zahlen. Vielleicht hast Du recht. Seit einem Monat habe ich es mir immer wieder durch den Kopf gehen lassen und mich gefragt, ob ich mir das alles nicht nur einbilde. Vor einiger Zeit war ich bei einem Priester, und der erzählte mir, es sei normal, wenn »Sterbende Visionen empfangen«. Ich war bei einem Psychotherapeuten, der sagte dasselbe mit anderen Worten: »Der verletzte Verstand spielt sich realistische Bilder vor, mit denen er zwischen seinen Wünschen und der furchteinflößenden Wirklichkeit zu vermitteln sucht. Im großen Maßstab reagiert die Gesellschaft mit ihrer Kino- und Fernseh-Industrie nicht anders.« Irgend so ein Zeug. Aber ich weiß, daß, was ich weiß, dasist, was ich weiß, und daß nichts je wieder so sein kann wie früher. Ich will Dich nicht in Verlegenheit bringen, indem ich Dir erzähle, daß ich jetzt weiß, daß es einen Gott gibt und daß Gott so vollkommen und real ist wie der Stift, mit dem ich gerade schreibe. Bist Du je in einem heißen Land gewesen, an einem sengend heißen, ungemütlichen Ort, und hast dann eine kühle Kathedrale betreten oder einen Tempel? Oder bist Du je an einem bitterkalten, die Wangen erstarren lassenden Wintertag zu einem Kaminfeuer hereingekommen? Stell Dir dieses Gefühl der Erleichterung, des Willkommens und Frohlockens hoch zehn vor, hoch zwanzig, so hoch, wie Du willst, und immer noch hast Du kein Quentchen der Empfindung, die die Gegenwart Gottes vermittelt.
Ich sagte, ich wolle Dich nicht in Verlegenheit bringen, aber wahrscheinlich habe ich das. Vermutlich wirst Du sagen, daß ich mich bloß selbst blamiere, aber das stimmt nicht. Aber darauf möchte ich vorerst nicht eingehen.
Ich bin Dir so dankbar dafür, daß Dein erster Brief so gehaltvoll war. Ich fand ihn ganz und gar nicht »unzusammenhängend«: Absolut alles, was Du mir erzählst, ist von Interesse. Ich beschwere mich nicht einmal darüber, daß Du Dich immer so über mich lustig machst. Ich nehme an, Du bist grob und haßt mich, weil Du Dich meinetwegen wie eine Prostituierte oder wie ein Spion fühlst. Das macht mir überhaupt nichts aus, aber es tut mir leid, daß Du unglücklich warst und »im trüben dümpeltest«. Welch eine bezaubernde Redewendung.
Deine Geschichte von Peter Cambric fand ich sehr interessant. Ich kann nicht ganz glauben, daß jemand, der sich so in »Einklang« und im Zustand der »Ekstase« befindet, imstande sein
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