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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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geguckt, wenn alle seiner Meinung gewesen wären.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, dann hätte man die Dichter als die
eingestandenen
Gesetzgeber der Welt beschreiben müssen, oder etwa nicht? Und sie hätten ihre samtgewandeten Ärsche hochkriegen und Gesetze erlassen müssen. Ihm hätte das bestimmt nicht gepaßt.«
    »Ich sehe nicht, inwiefern das eine sonderlich hilfreiche Einsicht sein soll.«
    »Dann entschuldige bitte.«
    Wir gingen schweigend weiter, der Beaglewelpe hüpfte wie ein Delphin durch das Meer des hohen Grases.
    »Hör zu«, sagte ich, »ich finde es gut, daß du Lyriker werden möchtest. Ich bewundere das. Aber ich kann mir wirklich und wahrhaftig keinen Beruf vorstellen, der noch … also paß auf; wir schließen eine Wette ab. Ich wette, daß du, David Logan, während meines Aufenthalts hier außerstande sein wirst, einen einzigen Beruf zu nennen, der weniger Nutzen, weniger Chancen, weniger Zukunft, weniger Sinn, weniger Status und schlechtere Aussichten hat als die Berufung zum Poeten.«
    »Abwassertechniker«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
    »Zwei Szenarios«, sagte ich. »Szenario A: Sämtliche Lyriker in England, Schottland, Wales und Nordirland treten in Streik. Resultat? Es würde vierzehn Jahre dauern, bevor irgend jemand außerhalb des Gordon Square oder der Redaktionsstuben von ›Times Literary Supplement‹ das auch nur merkte. Bedrängnis-, Mühsals- und Ungemachsquotient? Null. Auswirkung? Null. Nachrichtenwert? Null. Szenario B: Sämtliche Abwassertechniker allein in London treten in Streik. Resultat? Scheißhaufen und Tampons schwappen in deine Spüle, deine Füße platschen durch Auswurf und Schlamm, wo du auch hintrittst. Typhus, Cholera, Durst und Katastrophe. Bedrängnis-, Mühsals-, Ungemachs-, Auswirkungs- und Nachrichtenwertsquotienten? Hoch.«
    »Schon gut, schon gut, war ein schlechtes Beispiel. Ähm … dann eben Komponist. Ein Komponist von E-Musik.«
    »Da kommen wir der Sache schon näher. Moderne Komponisten haben in der Tat ein kleines Publikum, das gebe ich zu. Aber die meisten von ihnen, die nämlich, die nicht das große Geld scheffeln – und Geld kann man selbst mit dem scheffeln, was als ›ernste‹ Musik zu bezeichnen sie sich nicht nehmen lassen –, die vertreiben sich die Zeit undverdienen ihre Miete, indem sie Filmmusiken schreiben, Melodien für Werbespots und Seichtmusik für Flughäfen, dirigieren und in Konservatorien Harmonielehre und Kontrapunkt unterrichten oder was in der Art. Wenn sie wollen, können sie abends in einem Nachtclub Klavier spielen. Welche Kleinkunstfertigkeiten bringt dagegen ein Dichter mit? Er hat ein noch kleineres Publikum, seine Arbeit beschränkt sich schließlich und endlich auf jene, die dieselbe Sprache sprechen: Sucht er einen anderen Job, beschränken seine Alternativen sich auf die
Lyrik anderer Leute
. Er rezensiert. Meine Güte, und wie er rezensiert. In jeder Tages- und Wochenzeitung, jedem Magazin und jeder Vierteljahresschrift, die dir nur einfallen, verdient er sein täglich Toastbrot, indem er die Lyrik anderer Leute kritisiert. Oder er lehrt. Anders als der Komponist lehrt er nicht das Handwerk seiner Innung, lehrt er nicht Prosodie und Metrum und Form, sondern die Lyrik anderer Leute. Ist er ein großes Tier, dann kann er die Lyrikreihe eines der wenigen verbliebenen Verlagshäuser herausgeben, die so was noch im Programm haben. Er veröffentlicht die Lyrik anderer Leute, und er macht Anthologien aus der Lyrik anderer Leute. Gewiß kann er auch in der
Late Show
, dem
Kaleidoskop
und
Kritikerforum
auftreten und über die Lyrik anderer Leute reden. Jesus Gott, wenn ich die Wahl hätte, in diesem Jahrhundert als Lyriker oder als Komponist noch einmal von vorne anzufangen, nähme ich den Komponisten und spendete aus Dankbarkeit die Hälfte meines Jahreseinkommens Wohltätigkeitsorganisationen.«
    Davey sah nach diesem Ausbruch ziemlich durcheinander aus, und ich fühlte mich sofort wie das mieseste aller Schweine. Er dachte einen Moment nach und biß sich auf die Unterlippe. »Ich weiß, daß du daß alles nicht so meinst«, sagte er. »Ich weiß, daß du nur meine Berufungprüfst. Ich weiß, daß es nichts Besseres gibt, als ein Dichter zu sein, und daß du es auch weißt.«
    Mittlerweile hatten wir die Gasse erreicht, die in die Hauptstraße des Dorfs mündet, und mir wurde klar, daß etwas Eigenartiges und Wunderbares geschehen war, genauer gesagt, daß etwas Widerwärtiges und Schreckliches

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