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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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in letzterZeit so viel zu tun … erinnerst du dich an seine Nichte Jane? Jane Swann?«
    Ha! Zum ersten Mal fiel Dein Name. Du hast mir nicht klargemacht, ob dein Zustand der Welt bekannt ist oder nicht, also erwähnte ich ihn nicht, sondern wartete neugierig ab, ob die Nachricht nach Swafford gedrungen ist.
    »Das will ich meinen«, antwortete ich, »auch sie ist mein Patenkind.«
    »Ach richtig, natürlich ist sie das. Jane war im Juni hier, was teilweise in die Zeit fiel, als Simon und Davey ihre letzten Klausuren vor den Ferien hatten, und sie und Davey mochten sich auf Anhieb. Wirklich um so beachtlicher, als …« Sie brach verwirrt ab.
    »Als?«
    »Ich weiß nicht genau, was dir
bekannt
ist«, sagte sie mit jener Oberschichtbetonung, die es verraten hätte, selbst wenn es mir unbekannt gewesen wäre.
    »Die Leukämie? Doch, Jane hat mir davon erzählt.«
    »Tatsächlich? Ich wußte gar nicht, daß ihr Kontakt habt. Eine schreckliche Angelegenheit. Jane hat sich hierher eingeladen und …«
    Sie behielt für sich, was sie noch hatte sagen wollen. Natürlich wußte sie von Deiner Mutter und mir, also hielt sie es vielleicht für taktlos, bei Deinem Zweig der Loganfamilie ins Detail zu gehen.
    Also warst Du im Juni in Swafford, ja? War das, als Gott Dich heimgesucht hat, oder kamst Du als Folge der Heimsuchung? Zweifellos wirst Du es mich wissen lassen, wenn Du den Zeitpunkt für gekommen hältst.
    (Noch etwas Außergewöhnliches an dieser Maschine: Wenn man Apostrophe oder Anführungszeichen schreibt, weiß sie automatisch, ob die nach links oder rechts neigen sollen. Beim Tippen des obigen Gesprächs habe ich alsoimmer dieselbe Taste für An- und Abführungszeichen gedrückt, und sie hat es automatisch »so getippt«. Ganz schön gewieft. Langsam verstehe ich, warum man so ein Gedöns darum macht.)
    Fazit der Konversation war, daß Davey mich mehr oder weniger für sich hat. Er begreift schnell, gar keine Frage, und ich halte ihn für ehrlich interessiert an Lyrik und Kunst und Philosophie und der Praxis der Vernunft. Wie in seinem Alter üblich, glaubt er, die einzige Aufgabe der Lyrik liege in der Schilderung der Natur. Keats, Clare, Wordsworth, ausgewählter Browning und Tennyson, der gängige Plunder. Zartfühlend belehrte ich ihn eines Besseren.
    »Nein, nein, nein, junger Freund. Du mußt doch schon mal den Ausdruck ›erhabene Abgeschiedenheit‹ gehört haben. Diese Typen schreiben nicht über Löwenzahn und Gänseblümchen, sie schreiben über sich selbst. Romantische Dichter sind von sich selbst stärker eingenommen als der therapiesüchtigste Kalifornier, den du dir vorstellen kannst. ›Einsam wandle
ich
wie eine Wolke‹, ›
Mein
Herz schmerzt‹, ›
Mein
Herz hüpft auf‹.«
    »Aber sie müssen doch die Natur lieben?« Wir waren im Park und auf dem Weg ins Dorf, wo ich meinen Vorrat an Rothies auffüllen wollte. Michael hält für seine Gäste nur Zigarren bereit. Das muß Montagnachmittag gegen drei gewesen sein. Wir hatten einen Beaglewelpen dabei, der Auslauf brauchte. Seine Funktion war es, die Länge des Spaziergangs zu verdoppeln, meine Wildlederschuhe zu bepinkeln und sich am eleganten Bravourstück zu versuchen, seine Kiefer um vorbeiflatternde Schmetterlinge zu schließen.
    »Paß auf, alter Knabe. Natur ist der Scheiß, in den wir hineingeboren werden. Sie ist hübsch, aber keine Kunst.«
    »›Schönes ist wahr und Wahres schön – ihr wißt irdisch nur dies, mehr Wissen braucht ihr nicht.‹«
    »Jaaa, aber wenn du glaubst, das Schönheit nur
dort draußen
vorhanden ist, steht dir eine ziemlich grottige Jugend bevor, weißt du. Bild dir doch bitte nicht ein, das Schöllkraut und Mädesüß, Hahnenfuß und Klee unser einziger Weg zu Wahrheit, Schönheit und vedischem Glücke sind. John Clare konnte in durchgedrehter Trance durch Auen und Talgründe wandeln, weil es Auen und Talgründe zum Wandeln gab. Heute haben wir Städte und am Stadtrand – Megaschuppenbebauung. Wir haben Fernsehen und Lymphknotentherapien mit Algenpackungen.«
    »Und deswegen müssen wir darüber schreiben, ja?«
    Laß Dir dieses »wir« auf der Zunge zergehen, Jane. Ich war achtunddreißig, bevor ich wagte, »Dichter« in meinen Ausweis eintragen zu lassen und die Mitgliedschaft im
genus irritabile vatum
zu bekennen.
    »Wir
müssen
über gar nichts schreiben.«
    »Shelley hat gesagt, die Dichter sind die uneingestandenen Gesetzgeber der Welt.«
    »Ja, und er hätte noch zehnmal idiotischer aus der Wäsche

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