Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Sind Sie heute nicht ganz auf dem Damm, Regina? Sie wirken so zerstreut. Die Professoren der Gregoriana sind hier!«
»Es sind Professoren aus Rom hier?«
»Ja, um den Nostradamusbrief abzufotografieren!«
»Es tut mir leid«, sagte eine Stimme hinter uns. »Wir haben die Vereinbarung direkt mit Ihrem Vorgesetzten getroffen. Hat er Sie nicht informiert?«
Zwei Männer in grauen Anzügen standen draußen auf dem Flur. Einen davon erkannte ich wieder. Es war der Mann, der am Abend zuvor mitten in Professor Morettis Vortrag den Saal verlassen hatte. Der andere war breitschultrig, groß und kurz geschoren.
Als sie Angelica Moretti und mich erblickten, erstarrten beide. Nur einen kurzen Augenblick, aber lange genug, um sie zu verraten. Sie wussten, wer wir waren. Und dann wussten sie vermutlich auch, warum wir hier waren. Aber genau wie ich ließen sie sich nichts anmerken.
Das war gar nicht gut.
»Mit meinem Vorgesetzten? Wen meinen Sie?«, fragte Regina Ferrari noch immer verwirrt. »Sie haben mit Carlo Conti gesprochen?«
Das ist eine Falle, hätte ich am liebsten gesagt, trauen Sie denen nicht. Aber ich konnte sie nicht warnen. Solange sie nicht wussten, dass sie entlarvt waren, waren wir im Vorteil.
»Wir kommen von der Pontificia Università Gregoriana in Rom. Ich bin Professor Mancini, und das ist mein Kollege Professor Colombo.« Beide verbeugten sich leicht. »Unser Dekan hat mit Ihrem Vorge… mit Herrn Conti vereinbart, dass wir Gelegenheit erhalten, den Brief abzufotografieren.« Er lächelte breit. »Sie haben da ja eine akademische Sensation gefunden, Frau Ferrari, zu der wir Ihnen nur gratulieren können.«
»Danke«, antwortete sie noch immer perplex. Sie musste auf eine wohlbehütete Kindheit und ein ebensolches Leben zurückblicken, da sie noch immer keine Gefahr witterte. »Ich würde Ihnen ja gerne helfen …«
»Das wissen wir zu schätzen.«
»… aber der Brief ist weg.«
»Wie meinen Sie das – weg? Wurde er woanders hingebracht?«
»Nein, er ist verschwunden. Jemand muss ihn gestohlen haben.«
Die zwei Männer tauschten Blicke.
»Jemand hat ihn gestohlen?«, wiederholte einer der beiden.
Der andere sah mich anklagend an.
»Der Brief lag in der Schublade da« – Regina drehte sich um und zeigte auf ihren Schreibtisch –, »als ich nach Bologna gefahren bin. Jetzt ist er nicht mehr da.« Sie wandte sich an die Sekretärin. »Könnten Sie die Polizei rufen?«
»Moment!«, sagte einer der beiden Männer und packte die kleine Frau an der Schulter.
»Regina?«, piepste sie.
»Was erlauben Sie sich?«, sagte Regina streng. »Was geht denn hier vor? Was soll das? Und wer sind Sie? Ich kenne mich an der Universität Gregoriana gut aus. Von welchem Institut kommen Sie?«
Ein winziges Zögern. Nun dämmerte es auch Regina. Das waren keine Abgesandten der Universität.
Angelica trat einen Schritt auf sie zu. Beide wichen zurück, als wüssten sie von ihrem schwarzen Gürtel in Taekwondo.
»Was wollen Sie hier?«, fragte Regina Ferrari mit ängstlicher Stimme.
»Wir wollen den Brief sehen!«
Die zwei Männer sahen von Regina Ferrari zu mir und dann zu Angelica.
»Wo ist der Brief?«, fragte einer der beiden Angelica.
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie.
»Sie beide haben ihn doch«, sagte der andere und wandte sich an mich.
»Wir?«, fragte ich überrascht. Es sollte männlich, spontan und entrüstet klingen. Ein ebenso wütender wie gekränkter Ausbruch, der alle weiteren Beschuldigungen im Keim erstickte. Das Brüllen eines Löwen, das die zwei Männer zurückweichen ließ. Aber nichts da. Es klang ziemlich jämmerlich. Wir ? Dünn, nasal und etwas panisch.
»Wo sind Lorenzo und Silvio?«, fragte Angelica.
»Wo ist der Brief?«
»Haben Sie denn keinen Anstand? Einfach ein Kind zu entführen?«
»Geben Sie uns den Brief! Jetzt!«
»Wir sind auch gerade erst gekommen«, sagte ich. »Gemeinsam mit Frau Ferrari, um uns den Brief näher anzusehen. Genau wie Sie. Wir haben ihn nicht.«
»Ruhe!«
»Wenn Sie Silvio etwas antun …«, zischte Angelica. Ihre Stimme war kaum hörbar, aber trotzdem wirkte sie mit einem Mal bedrohlich. »Wenn Sie Silvio oder Lorenzo auch nur ein Haar krümmen, wenn Sie …«
» Schweig, Frau! «
III
Blitzschnell, als hätten sie lange vor dem Spiegel dafür geübt, zogen beide ihre Pistolen.
»Sie kommen jetzt mit uns«, sagte der eine in autoritärem Ton.
Automatisch hoben wir die Hände, aber sie befahlen uns, sie wieder herunterzunehmen.
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