Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
mit ihr für eine Dreiviertelstunde später vor den Uffizien. Wir mussten uns den Originalbrief sichern, bevor uns jemand zuvorkam.
K APITEL 5 Die Falle
F LORENZ,
M ONTAGNACHMITTAG
I
Auf der Ebene vor der Burg, wo Handwerker, Zigeuner, Gaukler und herumreisende Barbiere im Mittelalter und später ihre lärmenden Lager aufgeschlagen hatten, lag der Parkplatz. Mitten darauf, zwischen potenten Alfa Romeos und brünstigen BMW s, hatte ich mein Auto abgestellt. Meine Bolla. So habe ich sie getauft. Ich habe sie rosa gestrichen, mit schwarzen Punkten. Ich höre schon das Lachen, aber ich mag meine Bolla. Für mich ist das ein Statement. Ein stiller, sichtbarer Protest gegen den Snobismus auf vier Rädern. Wohl deshalb habe ich sie gern. Mag sein, dass es komisch klingt, ein Auto gernzuhaben, aber so ist es. Wir sind auf einer Wellenlänge. Wir fallen in der Menge auf. Bolla ebenso wie ich. Ich war den ganzen Weg von Norwegen nach Italien gefahren. Das Institut hätte mir natürlich den Flug bezahlt, aber ich fahre gerne Auto. Es ist gut für die Nerven. Auch wenn es nicht so schnell geht. Mit Bolla ist man nie schnell unterwegs. Schließlich ist sie eine Ente, ein Citroën 2 CV .
Angelica sah mich fragend an, als ihr klar wurde, welches Auto mir gehörte.
» Coccinella? «, fragte sie.
Ich wusste, was das bedeutete: Marienkäfer.
II
Vom Castello Catullus fuhren wir durch verschlafene Dörfer, die man offenbar irgendwo im Mittelalter vergessen hatte, und weiter über rollende Hügel, durch Olivenhaine und verstaubte Weinberge, bis wir die erste der Autobahnen erreichten, die uns nach Florenz führten. Angelica saß die ganze Zeit neben mir und redete über ihren Sohn.
Ich parkte Bolla im Parkhaus an der Ponte Vecchio. Dann gingen wir über die Brücke, bahnten uns einen Weg durch das Gewimmel der Touristen und gelangten schließlich zu den Uffizien. Regina Ferrari drückte ihre Zigarette aus, als sie uns sah. Sie nahm Angelica tröstend in die Arme und sagte etwas, das ich nicht verstand. Angelica drückte sie noch einmal. Dann wandte Regina Ferrari sich mir zu und gab mir die Hand.
»Ich hoffe, der Brief ist an einem sicheren Ort«, sagte Angelica, als wir durch die Bibliothek zu Regina Ferraris Büro eilten. Unsere Schritte hallten an den Wänden wider.
»Ich habe ihn in einer Schublade meines Schreibtischs eingeschlossen«, antwortete sie.
»Der ist nicht im Tresorraum?«, fragte Angelica so scharf, dass Regina Ferrari abrupt stehen blieb.
»Frau Moretti«, erwiderte die Konservatorin leicht gereizt, »auch wenn der Brief eine Kostbarkeit ist, konnte ich mir bis jetzt wirklich nicht vorstellen, dass er für jemand anderes als mich von Interesse sein könnte.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Angelica. »Das sollte keine Kritik sein. Aber nach allem, was mit Lorenzo und Silvio geschehen ist …«
»Das verstehe ich natürlich«, sagte Regina Ferrari, schon wieder milder gestimmt. »Aber als ich Freitagnachmittag hier abgefahren bin, war ja noch nichts geschehen. Und der Brief … Nun, der Brief war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als eine antiquarische Kuriosität.«
Die Tür ihres Büros war unverschlossen. Sie schaltete das Licht ein, hängte ihren Mantel an einen Haken an der Wand und setzte sich an ihren massiven Schreibtisch. An einer Schnur an der Schreibtischlampe hingen die Schlüssel für die Schubladen.
Sie schloss die Schublade unter der Tischplatte auf und öffnete sie. Ein paar Sekunden saß sie still da und starrte hinein. Dann nahm sie wahllos ein paar Blätter heraus und wandte sich schließlich uns zu.
»Ich verstehe das nicht …«
Angelica: »Was?«
»Wie ist das möglich? Das kann doch nicht angehen. Der Brief ist weg!«
Ich wollte gerade anmerken, dass nicht viel kriminelle Energie nötig sei, sich in ein unverschlossenes Büro zu begeben und eine Schublade zu öffnen, deren Schlüssel an der Schreibtischlampe baumelte, doch in dem Moment wurden wir unterbrochen. Eine graue Büromaus klopfte an die geöffnete Tür. Mit der allen Büroangestellten eigenen Gleichgültigkeit allem gegenüber, was sie nichts angeht, übersah sie Angelica und mich und gab Regina ein Zeichen.
»Da sind Sie ja endlich! Bernardo Caccini war hier und hat nach Ihnen gefragt. Er hat mich gebeten, Sie zu grüßen. Und die Professoren sind da!«
»Welche Professoren?«
»Von der Päpstlichen Universität Gregoriana. Soll ich ihn mitnehmen?«
»Wen?«
»Sie sind wegen des Briefes von Nostradamus gekommen.
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