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Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)

Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)

Titel: Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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sicher drei Meter hohes Kreuz mit gerissenen Balken. Gotische Rippengewölbe, Strebepfeiler und Strebebögen. Schwere Steine. Nacktes Gemäuer. Bücher, nichts als Bücher. Die Jahrhunderte haben einen hauchdünnen Staubschleier an den Stellen gebildet, wo Lappen und Staubwedel nicht hinkommen. Was für ein magischer Ort, denkt er. Die Buchrücken – Zehntausende an der Zahl – formen symmetrische Muster aus Leder und vergoldeten Lettern. Die Regale erstrecken sich in alle Richtungen. Im dunklen Schein erschöpfter Glühbirnen durchqueren sie schlummernde Säle. In Regalen und Nischen stehen Ikonen und Reliquienschreine. Vor seinem inneren Ohr hört er den Nachklang gregorianischer Gesänge. An einer Wand hängt ein Kreuz mit dem leidenden Christus. Staub schwebt über Reihen mit Büchern und Schachteln voller Handschriften auf Papyrus, Pergament, Papier. War ich schon mal hier?, denkt er. Oder habe ich etwas darüber gelesen? Er denkt an Ecos Bibliothek in Der Name der Rose , Zafóns Friedhof der vergessenen Bücher, an die sich biegenden Buchregale der Großeltern daheim in Genua. Düfte aus der Vergangenheit: Papierstaub, Tinte, trockenes Leder.
    Zwischen den Regalreihen steht ein Mann und erwartet sie. Eine lange, hagere Gestalt. Die Mönchskutte flattert um seine Knöchel. Sein Blick weicht aus, als er ihn einzufangen versucht. Er begrüßt zuerst Silvio. Geht in die Hocke und fragt ihn, ob er Bücher mag. Silvio schüttelt den Kopf. Der Mönch lacht, wuschelt ihm durchs Haar und erhebt sich wieder.
    Willkommen, sagt er. Ich bin Francesco, der Bibliothekar.
    Er streckt seine Hand aus. Lorenzo ergreift sie zögernd. Francescos Händedruck ist knochig und schlaff.
    Francesco führt sie weiter durch die Irrgänge des Labyrinths, die gar kein Ende nehmen wollen. Sie kommen an einem Glaskasten mit schräger Klappe vorbei. Unter der dicken, unebenen Scheibe liegt ein teilweise zerfallener Brief. Lorenzo bleibt stehen, beugt sich darüber.
    Der erste Thessalonicherbrief, sagt Francesco.
    Paulus?
    Ja. Das Original.
    Es vergehen einige Sekunden, ehe Lorenzo aufgeht, was der Bibliothekar gerade gesagt hat.
    Wie meinen Sie das – das Original?
    Dies ist das Original. Die Theologen gehen davon aus, dass Paulus zwischen sieben und zehn der vierzehn neutestamentlichen Apostelbriefe verfasst hat, die ihm zugeschrieben werden. Der erste Brief an die Thessalonicher ist einer der Texte, die Paulus ganz sicher geschrieben hat. Wahrscheinlich wurde er gut fünfzig Jahre nach der Kreuzigung Jesu verfasst. In dem Fall ist dieser Brief – er schlägt mit der flachen Hand leicht auf die Glasscheibe – der älteste im Neuen Testament.
    Aber sind die Originale nicht in den Jahrhunderten nach der Kreuzigung verloren gegangen?
    Der Bibliothekar breitet die Arme aus. Das ist mir auch zu Ohren gekommen …
    Gleich hinter der Vitrine führt er sie in ein kleines Studierzimmer. Schreibtisch, Stühle, Regale. Vor der Tür stehen zwei Mönche.
    Hier, sagt Francesco, können Sie in aller Ruhe arbeiten.
    Lorenzo liegen mehrere spitze Antworten auf der Zunge, aber er schweigt.
    Wenn Sie etwas brauchen, fährt Francesco fort, melden Sie sich.
    Silvio bekommt einen Stapel weißer Blätter und eine Handvoll Buntstifte von Francesco. Er setzt sich an den Tisch und beginnt zu malen. Feste, schnelle Striche. Kein Motiv. Jedenfalls nichts, was Lorenzo erkennt.
    Das Licht fällt schräg in den Raum. Sie haben ihm eine Kopie des Briefes von Nostradamus an Cosimo I . gegeben, einen linierten Schreibblock, fünf gelbe Bleistifte, ein Radiergummi und ein Lineal. Mit diesen einfachen Hilfsmitteln soll er dem Brief von Nostradamus seine Geheimnisse entlocken.
    *
    Er hat Francesco gebeten, ihm alles rauszusuchen, was die Bibliothek über die Medici, Nostradamus und den Themenbereich hat, den er untersuchen soll. Der Mönch hat Kisten voller Bücher, Briefe und alter Dokumente angeschleppt. In einem der Stapel stößt er auf einen Artikel, den er selbst geschrieben hat:
    CORRIERE DELLA SERA , 20. FEBRUAR 2012
    NOSTRADAMUS HAT DEN TOD KÖNIG HEINRICHS II. NICHT VORHERGESEHEN
    Von Professor Lorenzo Moretti
    In einem Feature-Artikel über paranormale Phänomene im CORRIERE DELLA SERA vom 12. Februar wurde behauptet, der französische Wahrsager Nostradamus habe den Tod König Heinrichs II. im Jahr 1559 vorhergesehen. Es wundert mich, dass eine seriöse Zeitung diese Art von Spekulationen ohne Widerspruch stehen lässt. Daher nehme ich mir die Freiheit, um den

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