Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Bérard.
10 Les Prophéties (1555, 2. Aufl.), Centurie 1, Strophe 1.
11 Vermutlich verfasst von Jamblichos, der zwischen 200 und 300 n. Chr. lebte, neu herausgegeben in Venedig (1497) und später in Lyon (1549).
Morettis Geschichte (III)
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ZWISCHENSPIEL: VIGENÈRE-CHIFFRE
MÖNCHSKLOSTER MONTECASETTO
DIENSTAG
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U nd wenn wir uns tatsächlich in der Bibliothek des Teufels befinden? Lorenzo lächelt. Neben ihm sitzt Silvio und zeichnet. Vor dem Studierzimmer sieht er Reihen von Regalen, schwer beladen mit der Weisheit der Jahrhunderte. Lederne Buchrücken. Vergessene Verfasser, vergessene Titel. Vielleicht ist Satans Beitrag zur Literatur ja gerade das Vergessen, denkt er. Das erste Mal hat er von der Bibliothek des Teufels in einem Vortrag von Professor Poliziano der Universität Bologna gehört. Sein Thema waren die Werke De Mysteriis und De Officiis Ministrorum . Beide aus der Feder des Kirchenlehrers Ambrosius von Mailand, verfasst im vierten Jahrhundert, lange bevor Ambrosius heiliggesprochen worden war. In seinen Werken erwähnt Ambrosius in Zusammenhang mit einem Hinweis auf Cäsar auch die Bibliothek des Teufels. Tausend Jahre später nahm Papst Clemens V . den Faden in seiner Pastoralis Praeeminentiae wieder auf, in der er behauptete, die Tempelritter seien die Bibliothekare von Satans eigener Büchersammlung. Noch unverständlicher war der Hinweis in einem Brief, den der Großmeister der Johanniter, Pierre d’Aubusson, an Lorenzo de’ Medici schrieb, als die Türken 1480 Rhodos belagerten: » Mein Herr, ich mache mir Sorgen um die Schriften, die von manch einem Papst – Gott bewahre ihre heilige Einfalt – als ›Bibliothek des Teufels‹ bezeichnet worden sind … « Auf was zielt er mit dieser ungeheuer respektlosen Formulierung ab?
Silvio seufzt.
Alles okay, Partner?, fragt Lorenzo.
Ich langweile mich.
Versuch, an etwas Lustiges zu denken.
Kann ich dir helfen, Papa?
Später. Vielleicht später.
Es vergehen ein paar Minuten. Francesco kommt. Er reicht Lorenzo ein Buch – Steganographia von Trithemius – und sagt, dass ihm das vielleicht von Nutzen sein könnte. Er hat auch ein Buch für Silvio dabei: Die Erstausgabe von Pinocchio von Carlo Collodi. Du musst aber sehr vorsichtig blättern, sagt Francesco. Das Buch ist so alt, dass es schnell kaputtgehen kann.
Danke, sagt Lorenzo.
Francesco stehen Tränen in den Augen. Er will etwas sagen, reißt sich dann aber zusammen. Lorenzo wartet. Silvio blättert vorsichtig in dem alten Buch.
Francesco schüttelt den Kopf. Das ist nicht richtig, sagt er. Leise.
Was ist nicht richtig?, fragt Lorenzo.
Francesco sieht von Silvio zu Lorenzo und schlägt dann den Blick nieder. Das hier, flüstert er. Er will nicht, dass die zwei Wachen ihn hören. Ein Kind, flüstert er. Ein Kind! Der Kardinal …
Eine der Wachen hustet. Francesco zuckt zusammen.
Wissen Sie, wer der Kardinal ist?, fragt Francesco nach einer Weile. Ich habe gerade erfahren, dass …
Ja? Reden Sie weiter.
Dieser Ort hier ist nicht …
Francesco hält inne, schüttelt den Kopf. Er will nicht weiterreden und sagt dann doch was: Als ich herkam, dachte ich noch …
Wieder schweigt er.
Was versuchen Sie mir zu sagen, Francesco? Wer ist der Kardinal? Was ist das hier für ein Ort?
Professor, wissen Sie, wer ich bin?
Sie sind Francesco, der Bibliothekar.
Ich, flüstert er und streckt die Brust heraus, bin ein Pazzi.
Ein Pazzi? Wie meinen Sie das?
Ein Pazzi! Sagt Ihnen das Datum 26. April 1478 etwas?
Natürlich. Die Pazzi-Verschwörung.
Meine Vorväter!, sagt Francesco stolz. Denken Sie daran, Professor Moretti. Ein Pazzi! Tränen laufen über Francescos Wangen. Lorenzo versteht nichts. Francesco erhebt sich, streicht Silvio sanft über die Haare und verlässt eilig den Raum. Silvio sieht seinen Vater fragend an, der den Zeigefinger an die Lippen legt und ihn zum Schweigen mahnt. Silvio liest weiter Pinocchio . Lorenzo fährt sich mit den Fingern durch die Haare, während er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Brief richtet. Er sucht nach versteckten Spuren. Starrt auf das Blatt:
L’ABATTES AILS BOT
MBOMAOMDCNMLEHEV C3443
AZCJPPOEGGWS
GRNVLGFFCGQMFVNBP
Anagramme? Transpositionscodes? Vigenère-Chiffren? Skytale? Substitutionskryptografie? Eine Variante des hebräischen Atbasch? Es gibt so viele Möglichkeiten, und jede Alternative eröffnet eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten. Beim Dechiffrieren kommt es
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