Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
in erster Linie auf das Versuchen an. Aber wo anfangen? Ein Versuch ohne jeden Anhaltspunkt ist bloßes Raten. Das kann Jahre dauern.
Er vertieft sich in die Zeichen C3443 . Ist C eine römische Zahl? Aber warum steht der Rest dann in arabischen Zahlen? Warum steht dort nicht CIIIIVIVIII ? Wobei man das auch als C4662 lesen könnte, wenn IIII 4 repräsentiert. Oder C225162. Die Ziffern hätten mit Bindestrichen getrennt werden müssen, um eindeutig zu sein: C-III-IV-IV-III . 100-3-4-4-3?
Aber das ergibt keinen Sinn. Ein Zahlencode? Wie hängt der mit L’ABATTES AILS BOT zusammen? Er braucht eine Richtung, einen Schlüssel, irgendetwas Konkretes, womit er arbeiten kann. Ohne jede Hypothese auf eine Chiffre loszugehen ist ebenso hoffnungslos, wie im Atlantik ohne Kompass, Sextant oder Chronometer eine kleine Insel finden zu wollen.
*
Am späten Nachmittag werden sie zurück in die Zelle gebracht. Als der Mönch Bartholomäus mit dem Essen kommt – gekochtes Hammelfleisch, Reis und Gemüse –, setzt er sich auf einen Stuhl am Fenster. Er bleibt dort sitzen, während Lorenzo und Silvio essen. Sie sind hungrig. Nach der Mahlzeit legt Silvio sich aufs Bett. Lorenzo stellt den Teller des Jungen auf seinen und platziert sie mit den Bestecken auf dem Tablett.
Haben Sie keine Angst, dass ich Sie mit Messer und Gabel angreifen könnte?, fragt Lorenzo.
Der Mönch schüttelt lächelnd den Kopf.
Lorenzo wartet darauf, dass Bartholomäus sich erhebt, das Tablett nimmt und gegen die Tür tritt, damit die Wachen draußen auf dem Flur ihn rauslassen. Aber er rührt sich nicht.
Oh, sagt Lorenzo. Ein Freundschaftsbesuch?
Der Mönch macht eine undefinierbare Geste.
Wie lange sind Sie schon Mönch?
Lange.
Alles in allem betrachtet, ist der Unterschied zwischen Vicarius Filii Dei und den Roten Brigaden nicht sonderlich groß. Oder al-Qaida. Ihr Fundamentalisten habt alle einen Tunnelblick.
Wir dienen einer höheren Sache.
Das sagen alle Terroristen und Fundamentalisten.
Papa, sagt Silvio vom Bett aus. Sind das Terroristen?
Nein, antwortet er schnell, das sind keine Terroristen.
Silvio legt sich wieder hin und starrt an die Decke. Draußen vom Flur ist Husten zu hören.
Wir sind nicht böse, sagt Bartholomäus. Wir leben für unsere Überzeugung.
Das sagt ein Selbstmordattentäter auch von sich.
Gott hat uns berufen.
Mit Hilfe der Bundeslade wollt ihr Kontakt mit Gott aufnehmen, um das Ende der Welt einzuläuten?
Eine alte Prophezeiung erzählt von den vier Pferden der Endzeit. In der Offenbarung geht Johannes auf etwas Ähnliches ein. Aber nicht einmal Johannes sieht das große Ganze. Die Prophezeiung, von der ich rede, ist eine apokryphe Schrift. Die findet sich nicht in der Bibel. Dafür ist sie viel zu heilig.
Zu heilig für die Bibel?
Sie ist nicht für aller Augen bestimmt.
Sie meinen, dass eine alte Prophezeiung Ihnen das Recht gibt, Menschen zu entführen? Sogar Kinder? Nur weil Sie glauben, dass es die Bundeslade wirklich gibt?
Bartholomäus blickt zu Boden, will nicht antworten.
Was tue ich hier? Was macht Silvio hier? Können Sie mir das sagen? Wir wurden mit Gewalt hierhergeholt. Gegen unseren Willen.
Verehrter Professor, versuchen Sie zu verstehen, was Vicarius Filii Dei ist. Wir sind kein braver Zisterzienserorden. Wir sind direkt dem Papst unterstellt, direkt Gott, wir sind das Werkzeug des Papstes, um Gottes Reich hier auf Erden zu schützen und zu erweitern.
Sie setzen sich an Gottes Stelle?
Niemals. Wir sind nur demütige Diener vor dem Herrn. In unserem Tun aber resolut und konsequent.
Gandhi sagte einmal: Ich mag euren Christus . Ich mag nur eure Christen nicht. Eure Christen sind ganz anders als euer Christus. Ihr, die ihr immer so gerne Gott und Jesus vorschiebt, habt noch viel zu lernen.
Sie irren sich. Es ist der Herr, der unsere Schritte lenkt. Sind Sie ein gläubiger Mann, Professor Moretti?
Er zögert, weiß nicht, was er antworten soll.
Haben Sie sich Ihren Kinderglauben bewahrt? An einen weißhaarigen, barmherzigen Gott, der voller Gnade auf alle Gläubigen blickt? Denken Sie nie, dass Gott in seiner Allmacht viel komplexer ist? Wir Menschen werden Gott nie verstehen, ebenso wenig wie ein Fisch einen Fischer verstehen kann. Sie klagen meine Brüder an, Gesetze und Moralkodizes zu brechen, sehen aber nicht die Komplexität Gottes. Die Komplexität von Glauben und Kirche. Sie sehen alles nur von Ihrem ganz persönlichen Standpunkt. Und glauben Sie mir, ich kann Sie verstehen.
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