Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
Saudi-Arabien sein ältester Alliierter in der arabischen Welt sei. Nach dem 11. September fielen die US - Medien und ihre weltweiten Ableger über die Familie Saud her. Verlage, die die Anschläge rasch versilbern woll ten, brachten hastig schlechte Bücher mit noch schlechteren Titeln heraus – Königreich des Hasses, Mit dem Teufel ins Bett –, in denen aufs saudische Königshaus eingeprügelt wurde. Das kurzzeitige Saud-Bashing wirkte sich aber nicht längerfristigen auf die Politik aus; bald galt wieder: business as usual. 102
Betrachtet man die Lage heute, könnte man meinen, nichts hätte sich geändert. Saudische Prinzen, ungewohnt, sich ihrer Denkapparate zu bedienen, konkurrieren miteinander, wer den ausländischen Konzernen mehr Schmiergelder abknöpfen kann. In der Wirtschaft haben allein die Royals und ihre Strohmänner etwas zu sagen. Das Geschäftsklima ist üblicherweise freundlich – und völlig korrupt. Die Saudis kaufen Waffen für Milliarden Dollar ein, wer würde den Prinzen da eine Vermittlungsgebühr von läppischen 20 Millionen verübeln? Gleichzeitig verbrei ten westliche PR -Firmen die Verlautbarungen des Regimes. Vor fünf Jahren sah ich auf einem europäischen Flughafen dieselbe saudische Presseerklärung, von The Guardian , El Pais , The International Herald Tribune , Le Monde und La Repubblica unhinterfragt wiedergekäut: Terroristen gäben ihre Waffen ab, sagten sich von ihrer Vergangenheit los und machten in der Umerziehung große Fortschritte.
Obama hält weiter seine schützende Hand über diesen reaktionären Sumpf. Wie seine Vorgänger schweigt er die undemokratischen Zustände in Saudi-Arabien einfach tot. Maximal regt er vielleicht mal freundlich an, man könne das Fahrverbot für Frauen doch ein wenig aufweichen. Wenn es im Land zu Aufständen käme, würden die USA zum Schutz der königlichen Familie intervenieren, daran darf es keinen ernsthaften Zweifel geben.
Nach Beginn des Arabischen Frühlings ist die Lage von Land zu Land völlig unterschiedlich – gestürzte Diktatoren in Ägypten, Libyen und Tunesien; eine (von den Saudis) erstickte Rebellion in Bahrain; anhaltende Machtkämpfe in Syrien; schwelender Unmut in Jordanien. Doch was sind die Gemeinsamkeiten, die übereinstimmenden Themen? Erstens: Die Bewegungen verfolgten ganz überwiegend politische Ziele. Die Rebellion entzündete sich zwar in Tunesien an sozialen Missständen, doch um die ging es nur am Rande. Darin liegt eine gewaltige Unwucht: Es gibt immensen sozialen Zündstoff, noch geht der Kampf aber vornehmlich um politische Freiheiten. Noch konzentrieren sich die Länder weitgehend auf sich selbst, es kam zu keinen nennenswerten antiamerikanischen oder antiisraelischen Demonstrationen. Die ägyptische Rebellenbewegung des 6. April formulierte ganz klar: »Weder mit Amerika noch gegen Amerika.« Nur eine winzige Minderheit kritisiert, dass der Militärrat den Vertrag von 1979 respektiert und in Gaza weiterhin mit Israel zusammenarbeitet. Dabei mag eine Rolle spielen, dass Widerstand gegen amerikanischen Imperialismus heute mit zwei Nationen assoziiert wird: mit Assads Syrien und dem Iran der Mullahs. Diese unterdrückerischen Regimes bieten keinerlei verlockende Alternative. Auch ein gesamtarabisches Denken findet nicht statt, wie sich an den Konfliktfällen Libyen und Syrien gezeigt hat.
Die USA wurden von der rasanten Umwälzung völlig überrascht. Als Mubaraks Regime ins Wanken geriet, schafften sie es gerade noch, sich einen Platz an der Spitze der Bewegung zu sichern. Bisher gelang es ihnen, mit Hilfe des Militärrats ihre zentralen Interessen – Friede mit Israel, freier Zugang zum Suezkanal – zu schützen. Die Lage in Bahrain wurde stabilisiert, mit kosmetischen Zugeständnissen. Die libysche Revolte wird von der NATO gesteuert. Die Lage im Jemen ist noch im Fluss, der von Washington gestützte Saleh ist weg, wurde aber lediglich durch seinen langjährigen Stellvertreter ersetzt.
In Syrien steht das Militär noch loyal zum Regime Baschar al-Assads, der mit den Methoden seines Vaters weiter regiert: mit Folter und Mord. Despoten sind blind. Sie sehen einfach nicht, dass sie ihrem Volk das geben müssen, was es friedlich verlangt. Sonst verlangt es später die gleichen Dinge erneut, nur mit der Waffe in der Hand. Obama muss mit einer veränderten und weiter veränderlichen Lage im Mittelmeerraum zurechtkommen. Der Hauptgrund, warum man die prowestlichen Diktaturen in Ägypten und Tunesien –
Weitere Kostenlose Bücher