Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
dann würde er das wenigstens ohne großes Tamtam und Geprahle machen, wie Rachel Maddow am 21. März 2011 dankbar auf CNBC feststellte: »Er spart sich das Posieren, das Obermacker-Gehabe, das früher bei jeder militärischen Intervention unvermeidlich war. Daran zeigt sich deutlich, wie sehr Obama sich von Bush unterscheidet.« Mit diesem Urteil stand sie nicht allein. Wie bereits erwähnt, brauchen die Höflinge daheim und die Vasallen im Ausland eine kuschelige Atmosphäre. Sie schätzen Obama als moderat klingenden Republikaner, auch wenn er eine deutlich unsozialere Politik macht als früher etwa Nixon.
Und da Krieg für die linken Demokraten jetzt schon akzeptabel war, warum sollten sie sich dann über die Bei behaltung der Bush’schen Steuererleichterungen für die Reichen beschweren? Hier verkalkulierte Obama sich allerdings ein wenig. Ein paar »scheinheilige Demokraten«, wie Obama sie nannte, regten sich öffentlich darüber auf, dass die Reichen regelmäßig belohnt und die Armen regelmäßig bestraft würden. Wer waren diese »Scheinheiligen«? Eine Handvoll Demokraten mit intakten Idealen; Abgeordnete, die eine düstere Zukunft fürchteten, wenn man die weniger Begüterten nicht zumindest mit Gesten oder kosmetischen Maßnahmen ruhig stellte. Schließlich, argumentierten sie, müsse etwas faul sein in einem Land, wo ein Hedgefondsmanager mit Milliardenvermögen einen niedrigeren Steuersatz bezahlt als seine Sekretärin. Die Einkommensschere öffnete sich immer weiter und machte das, was einst »amerikanischer Traum« genannt wurde, zum reinen Hohn. Doch die sozialeren Teile der Demokraten wagten nicht aufzumucken: Angesichts der wachsenden Popularität der Tea Party und des zunehmenden Populismus der Rechten glaubten sie, es bliebe ihnen nichts anderes übrig, als Obama vorbehaltlos zu unterstützen. Interessanterweise sah Obama die Tea Party differenzierter als viele seiner hysterischen Gefolgsleute. Gegenüber dem Rolling Stone erklärte er:
Ich halte die Tea Party für ein Amalgam, ein Gemisch von vielen verschiedenen, schon lange bekannten Strömungen amerikanischer Politik. Klar gibt es in der Tea Party entschlossene Liberalisten, die grundsätzlich nichts von Staatseingriffen in Markt oder Gesellschaft halten. Dann gibt es die sozial Konservativen, die mich aus den gleichen Gründen ablehnen, aus denen sie Bill Clinton abgelehnt hatten: Weil ich zu sozial und zu fortschrittlich denke. Und dann gibt es noch die Wutbürger aus der Mittel- und Arbeiterschicht, die sich von der Klientelpolitik in Washington verschaukelt sehen. Doch ihr Zorn richtet sich gegen die falschen.
Einige Aspekte der Tea Party sind allerdings bedenklich, wie etwa ihre feindliche Haltung gegenüber Immigranten. Einige ärgern sich auch darüber, was ich als Präsident repräsentiere. Die Tea Party als Bewegung lässt sich also kaum auf einen Nenner bringen. Ich glaube, sie noch dabei, sich zu definieren.
Jetzt nicht mehr. Von der liberalistischen Fraktion um Ron und Rand Paul einmal abgesehen, scheint die Tea Party mittlerweile abgewirtschaftet. Viele Anhänger, die sich über die Bankenrettung und die Korruption der Politik durch das Großkapital aufregt hatten, zogen sich frustriert wieder zurück, als sie merkten, dass sie nichts erreichten. Einige Abgeordnete der Tea Party haben sich als derartig dumm und unfähig erwiesen, dass der verbliebene Rest nun von Partei-Apparatschiks in Schach gehalten wird, die nur noch Sarah Palins Nominierung als Präsidentschaftskandidatin verhindern wollen. Die Bush-Republikaner geben wieder den Ton an, unterstützen Obama in den (für sie) wichtigen Vorhaben und verspotten ihn für seine Weichherzigkeit gegenüber Armen und Arbeitern.
In Wisconsin legten die Republikaner noch eines drauf. Im Dezember 2010 gewannen sie die dortigen Gouverneurswahlen – nicht zuletzt, weil viele linke Wähler zu Hause geblieben waren, um Obama für die hohe Arbeitslosigkeit zu bestrafen; die Wahlbeteiligung lag bei gerade einmal 28 Prozent. Scott Walker, der neue Gouverneur, erklärte, er befinde sich in täglichem Zwiegespräch mit ganz oben. Damit meinte er allerdings nicht Gott, sondern die Heritage Foundation und andere ultrarechte Denkfabriken. Die posaunen schon seit längerer Zeit herum, dass die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine Bedrohung für die Freiheit darstellten (in der Privatwirtschaft sind aufgrund von De-Industrialisierung und Neoliberalismus inzwi schen nur noch acht
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