Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
Selbstzufriedenheit gebe es angesichts der geradezu skandalösen Anzahl schwarzer Häftlinge nicht den geringsten Anlass. Ein farbiger Präsident – »da staunen wir alle, wie weit wir es gebracht haben. Doch aktuelle Zahlen zeigen, dass es für Schwarze kaum mehr vorangeht«. Trotz »affirmative action«, der Aktion gegen Diskriminierung von Minderheitsgruppen, »lebt fast ein Viertel aller Afroamerikaner unterhalb der Armutsgrenze, genau wie 1968.« Die Kinderarmut liege sogar noch höher als vor 40 Jahren, und die Arbeitslosenquote schwarzer Bürger lasse sich mit der afrikanischer Staaten vergleichen. Die wirklich schockierende Zahl ist aber die: Im Jahr 2011 saßen so viele Schwarze im Gefängnis, wie 1850, vor dem Bürgerkrieg, als Sklaven lebten.« 104 Derweil predigt Obama fröhlich weiter, dass die Schwarzen endlich Verantwortung für sich selbst übernehmen müssten. Er klagt: »Zu viele Väter fehlen, in zu vielen Leben und zu vielen Haushalten … haben sich davongeschlichen … sich ihrer Verantwortung entzogen … sich wie Jungs statt wie Männer benommen.« Doch er fragt nie nach den Gründen. Wo sind die Väter denn? Sitzen sie aus eigener Schuld im Gefängnis oder hat sie – Gott bewahre! – das System dorthin gebracht? Mit einem gezielten Kesseltreiben, das sich der Drogengesetze als Vorwand bedient, um Hunderttausende Schwarzer einzusperren. Hat das Ganze vielleicht sogar mit der Arbeitslosigkeit zu tun, die wegen der rigiden Wirtschaftspolitik Obamas weiter ansteigt?
Cornel West findet, es könne so lange keine Fortschritte geben, bis diese unbequeme Wahrheit endlich bei den Menschen angekommen ist:
Der Mainstream lügt wie gedruckt. Die massive Benachteiligung geht unter den Demokraten unverändert weiter. Man darf der Demokratischen Partei jetzt keine Feigheit vor dem Feind und keine Rückratlosigkeit mehr vorwerfen. Nein, inzwischen ist klar: Die Demokratische Partei trägt für einige der schlimmsten Auswüchse im amerikanischen Reich die volle Verantwortung. Ich glaube, ich darf niemandem mehr guten Gewissens empfehlen, für Obama zu stimmen … Wir müssen ernsthaft über unabhängige Kandidaten, dritte Gruppierungen, dritte Parteien nachdenken. 105
Was West sagt, stimmt zweifellos. Nur ist sein Rezept realistisch? George W. Bush regierte zwei volle Amtszeiten, völlig unbeeindruckt von den Buhrufen seiner Gegner. Danach sehnten sich viele Demokraten nach Frieden. Sie hofften, ihr neuer Anführer würde dem Land seine Kriegslüsternheit und seine Geldgier austreiben. Auch die ultrarechten Medien glaubten (oder hofften), das könnte der Fall sein, und malten den Untergang in düstersten Farben.
Obama widerlegte sie alle. Seine Anhänger bevormundete er wie kleine Kinder. Er kannte ihre Schwächen, vor allem aber wusste er, dass sie keine Alternative hatten. Dieser unselige Zustand hält in den Vereinigten Staaten schon viel zu lang an. Aufgrund der Schwierigkeiten der Republikaner, einen glaubwürdigen Kandidaten zu ermitteln, könnte Obama 2012 sogar wiedergewählt werden. Seine gefährlichsten Widersacher sind momentan nicht die Republikaner, sondern die prekäre Wirtschaftslage und die turbulenten Entwicklungen in der arabischen Welt.
Wie steht das Imperium momentan da? Es ist gewalttätig, aggressiv, verunsichert und zunehmend undemokratisch. Wie lange kann die Großmachtpolitik noch weitergehen? So lange, wie amerikanische Bürger die in ihrem Namen begangenen Verbrechen ignorieren oder gar bejubeln. Doch das könnte abrupt umschlagen. Warum sollte die amerikanische Geschichte statischer verlaufen als die arabische? Lange galt ja gerade die arabische Welt als Hort der Stabilität. Man darf also mit – gelegentlich unangenehmen – Überraschungen rechnen. Die Republik muss aus ihrer Selbstgefälligkeit gerissen werden, und zwar von ihren eigenen Bürgern.
Was wäre die Folge? Sicher eine Außenpolitik, bei der das Töten von Muslimen nicht mehr als unerlässlich für die nationale Sicherheit gilt. Noch regen sich viele Amerikaner nicht über die Toten im Irak, in Afghanistan und Pakistan auf, ebenso wenig über die Wildwest-Methoden, mit denen sie ermordet wurden. Der Linken ist lieber, wenn ein Demokrat das erledigt. Ansonsten passt schon alles. Nicht aber an der Heimatfront. Der parteienübergreifende Konsens, das bestehende Finanzsystem zu stützen, könnte die Menschen in die Rebellion treiben.
In den letzten Jahren hat sich die Schere zwischen den Reichen, den
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