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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Teenager, eine Körperverletzung, die nach einer Kneipenprügelei aussah und aus der O’Connell als Sieger hervorgegangen war. Für die diversen leichten Straftaten, deren O’Connell angeklagt war, hatte er nie mehr als Bewährungsstrafen bekommen, auch wenn O’Connell einmal fünf Monate in einem Distriktgefängnis eingesessen hatte, weil er die bescheidene Kaution nicht aufbringen konnte. Genauso lange brauchte sein Pflichtverteidiger, um die Anklage wegen tätlichen Angriffs auf einfache Körperverletzung herunterzudrücken. Eine Geld- und eine Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung hatte es dafür gegeben, wie Murphy dem Register entnahm. Er merkte sich vor, den Bewährungshelfer anzurufen, auch wenn er bezweifelte, dass ihm der Mann von großer Hilfe sein würde. Diese Leute verbringen den Großteil ihrer Zeit mit den bedeutsameren Kriminellen, und dazu zählte O’Connell, zumindest in den Augen des Rechtssystems, nicht.
    Natürlich konnte man das, was er bis jetzt an Informationen zusammengetragen hatte, auch von einer etwas anderen Warte sehen: O’Connell machte, was er wollte, er ließ sich nur nicht erwischen.
    Murphy schüttelte den Kopf. Nicht gerade ein Top-Krimineller, dachte er.
    Er betrachtete erneut den Stapel Papiere auf seinem Schoß. Fünf Monate im Bezirksgefängnis. Für einen Kleinkriminellen wie O’Connell nicht mehr als eine Unannehmlichkeit. Gerade genug Zeit, um von den erfahreneren Insassen den einen oder anderen wertvollen Rat aufzuschnappen, wenn man Augen und Ohren aufsperrte und den harten Kerlen nicht in die Quere kam. Kriminalität erforderte nach Murphys Erfahrung wie jeder höhere Abschluss einiges an Studium.
    Er hatte ein Verbrecherfoto in Schwarzweiß von O’Connell vor sich. War das der Beginn deiner Karriere?, fragte er ihn in Gedanken.
    Er wagte es zu bezweifeln. Diese fünf Monate waren nur ein bisschen Examensbüffelei. Er tippte, das O’Connell da bereits eine Menge wusste.
    Der Kriminalbeamte der State Police, der ihm die Knastpapiere besorgt hatte, kam an O’Connells Jugendstrafregister nicht heran. Das machte Murphy hellhörig. Er hatte keine Ahnung, was er da schon angestellt hatte. Immerhin bezeugten die Ausdrucke, die er vor sich hatte, nur eine geringe Gewaltbereitschaft. Das beruhigte ihn. Einfach nur ein schlimmer Finger, dachte er. Keiner mit einer Neunmillimeter in der Tasche.
    Ein wenig verriet die Polizeiakte ihm schon: O’Connell war im Wohnwagenmilieu an der Küste von New Hampshire aufgewachsen. Viel Kindheit dürfte es wohl nicht gegeben haben. Kein heimeliges weißes Schindelhaus mit gedecktem Apfelkuchenim Ofen, während die Kinder im Vorgarten Touch Football spielen; wahrscheinlich ging es in seiner Kindheit eher darum, Schlägen auszuweichen. Gute Schulzeugnisse – für die Zeit, die er da war. Offenbar klafften da ein paar Lücken. Ein paar Ausflüge in den Jugendstrafvollzug?, spekulierte er. Hat trotzdem die Highschool geschafft. Würde wetten, du hast den Schulpsychologen ein intensives Trainingsprogramm geliefert. Intelligent genug, um es ins örtliche Community College zu schaffen. Abgebrochen. Wiedergekommen. Nicht zu Ende gebracht. Zeugnisse von der UMass Boston, der staatlichen Universität in Boston. Geschickt im Umgang mit Werkzeug – ein recht versierter Mechaniker. Hat offenbar dieselbe Begabung genutzt, um Computertechnik zu lernen. Eine Menge Arbeit, die da auf ihn zukam, dachte Murphy, falls Sally Freeman-Richards das wünschte. Er wusste mehr oder weniger im Voraus, was er finden würde. Missbrauch durch den Vater. Betrunkene Mutter. Oder vielleicht vom Vater verlassen und eine verführerische Mutter. Scheidung, Hilfsarbeiter- und andere Jobs im Niedriglohnsektor und samstagabends zu viel Gewalt nach zu viel Bier.
    Es war ein strahlender, vielversprechender Nachmittag, als Matthew Murphy vor Michael O’Connells schmuddeligem Mehrfamilienhaus parkte. Zwischen den heruntergekommenen Mietshäusern war ein Streifen Himmel zu sehen, und an der Ecke konnte er von ferne das CITGO-Logo über dem Fenway Park erkennen. Er sah einmal nach links und einmal nach rechts die Straße entlang und zuckte die Achseln. Nicht anders als viele Straßen in Boston, registrierte er. Eine Mischung aus jungen Leuten auf dem Weg nach oben und alten Leuten auf dem Abstieg. Dazwischen ein paar vom Schlag O’Connells, die hier Zwischenstation machten, auf dem steilen Weg bergab.
    Es war eine Kleinigkeit gewesen, mit Hilfe eines Freundes bei der

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