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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Rätsel, woher diese Leidenschaft kam. Bei den Fällen, die er im Lauf der Jahre bearbeitet hatte, war er zu dem Schluss gekommen, dass möglicherweise Liebe der dümmste Grund ist, um seine Freiheit, seine Zukunft und in manchen Fällen sogar sein Leben wegzuwerfen.
    Murphy blickte erneut zur Haustür hinüber. »Na, komm schon, Kleiner«, sagte er laut. »Lass dich mal anschauen. Ich hab meine Zeit nicht gestohlen.«
    Wie auf Kommando bewegte sich etwas am Eingang zu O’Connells Mehrfamilienhaus, und als Murphy sich vorbeugte, um besser zu sehen, erkannte er auf Anhieb das Gesicht von dem drei Jahre alten Polizeifoto wieder.
    Er schnappte sich die Kamera und richtete sie auf O’Connells Gesicht. Zu seiner Überraschung blieb O’Connell einen Moment stehen und schaute fast in seine Richtung. Blitzschnell machte er ein halbes Dutzend Schnappschüsse hintereinander. »Hab dich«, freute er sich laut und grinste. »Hast mir die Sache leichtgemacht.«
    Dabei bedachte Murphy allerdings nicht, dass dasselbe umgekehrt galt.
     
    Der Anruf war für Scott ein Leichtes gewesen, auch wenn dies anschließend ein bisschen Organisation nach sich zog. Er hatte den Football-Trainer in seinem Büro erreicht, wo er gerade mit dem für die Abwehr zuständigen Mitarbeiter die Spielpläne durchging. Scott war dem Mann verschiedentlich bei geselligen Anlässen begegnet, und er legte Wert darauf, so viele Spiele wie möglich zu sehen.
    »Coach Warner? Scott Freeman …«
    »Scott! Schön, von Ihnen zu hören. Bin allerdings im Moment ziemlich beschäftigt …«
    »Mit einer ungeheuer raffiniert ausgeklügelten Abwehrstrategie, die den Feind vollkommen aus dem Konzept bringen soll, so dass nur noch ein einziges Häufchen kleinmütige Stümper übrigbleibt?«, fragte Scott.
    Der Trainer lachte. »Sie sagen es. Wir geben uns erst zufrieden, wenn der Gegner dem Nervenzusammenbruch nahe ist. Aber deswegen rufen Sie nicht an?«
    »Ich wollte Sie um einen kleinen Gefallen bitten. Ein bisschen Muskelkraft.«
    »Muskelkraft haben wir reichlich. Allerdings auch Seminare und Training. Die Jungs sind ziemlich eingespannt …«
    »Wie sieht’s denn mit Sonntag aus? Ich brauche zwei, vielleicht drei Jungs. Nur ein paar schwere Sachen zu heben, wofür ich sie großzügig und bar bezahlen würde.«
    »Sonntag? Das würde gehen. Was sind das für schwere Sachen?«
    »Es geht um den Auszug meiner Tochter aus ihrer kleinen Wohnung in Boston, und ich muss ihre Sachen einlagern. Und zwar möglichst schnell.«
    »Endlich mal eine Aufgabe, der wir schlichten Football-Typen uns gewachsen fühlen«, entgegnete der Trainer lachend. »Geht klar, ich höre mich heute beim Training mal um, ob es Freiwillige gibt, und schicke sie morgen bei Ihnen vorbei.«
    Die drei jungen Männer, die sich am nächsten Morgen in seinem Büro blicken ließen, waren durchweg kräftig gewachsen und erpicht darauf, ein bisschen was nebenbei zu verdienen. Scott erklärte ihnen kurz und bündig, dass es darum ging, am Sonntagmorgen einen Kleintransporter zu leihen, nach Boston zu fahren, alles in Kartons zu packen und zu einem Speditionslager außerhalb der Stadt zu bringen, mit dem er bereits alles geregelt hätte.
    »Das muss sofort passieren«, sagte Scott. »Lieber gestern als heute.«
    »Weshalb so eilig?«, fragte einer der Jungs.
    Scott hatte mit der Frage gerechnet und sich eine Antwort zurechtgelegt.
    »Meine Tochter hat in Boston mit dem Graduiertenstudium angefangen. Vor einiger Zeit hatte sie sich um ein Auslandsstipendium beworben. Niemand hatte mehr damit gerechnet, dass etwas dabei rauskommt, aber, siehe da, dieser Tage kam der positive Bescheid. Allerdings zeitlich gebunden. Kurz gesagt geht sie für ein halbes bis ein Dreivierteljahr nach Florenz, um die Kunst der Renaissance zu studieren. Sie muss in wenigen Tagen im Flieger sitzen, und ich habe keine Lust, länger als nötig die Miete zu zahlen, die Kaution kann ich mir, wie’s aussieht, sowieso abschminken. Na ja, was soll’s«, seufzte er und setzte sich dabei gehörig in Szene, »wenn man auf Märtyrer und geköpfte Propheten steht, dann ist man da wohl genau richtig. Hab allerdings das Gefühl, dass Begriffe wie ›Job‹ oder ›Karriere‹ für meine Tochter derzeit Fremdwörter sind …«
    Darüber mussten die jungen Leute lachen, da sie diese Einstellungdurchaus teilten. Sie trafen alle Vorkehrungen, und Scott verabredete sich für Sonntagmorgen mit ihnen.
    Er hegte die vage, wenn auch nicht aus der Luft

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