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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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gegriffene Vermutung, dass sich jemand Bestimmtes, so er denn die drei Möbelpacker sah, lebhaft für die Geschichte interessieren würde, die Scott mit Bedacht ausgestreut hatte.
     
    Ashley fühlte sich ein bisschen lächerlich.
    Sie hatte Sachen für eine Woche in ihren Matchbeutel gestopft und Kleider für eine weitere Woche in einen Koffer mit Rollen gepackt. Tags zuvor war der Zusteller von Federal Express mit einem Paket von ihrem Vater an ihrer Tür erschienen. Es enthielt zwei Reiseführer zu italienischen Städten, ein englisch-italienisches Wörterbuch sowie drei große Bildbände über die Kunst der Renaissance. Zwei davon besaß sie bereits. Außerdem fand sie in dem Päckchen ein von seinem eigenen College herausgegebenes Handbuch mit dem Titel
Wegweiser zum Auslandsstudium
.
    Er hatte einen kurzen Brief verfasst, für den er mit dem Computer den ehrfurchtgebietenden Briefkopf des fiktiven Institute For the Study of Renaissance Art entworfen hatte und der sie zu dem Studienprogramm willkommen hieß sowie eine Kontaktadresse für ihre Ankunft in Rom enthielt. Die war sogar echt – sie gehörte einem Professor der Universität von Bologna, dem Scott einmal auf einer Historikerkonferenz begegnet war und der, wie er wusste, gerade ein Sabbatjahr in Afrika verbrachte. Er glaubte nicht, dass Michael O’Connell ihn würde auftreiben können. Und selbst wenn, die Mischung aus Fiktion und Wirklichkeit würde ihn zumindest verwirren. Das war, fand Scott, ein kluger Schachzug.
    Diesen Brief sollte Ashley wie aus Versehen in ihrer Wohnung liegen lassen.
    Seine weiteren Instruktionen an sie waren detailliert und, wie sie fand, ein wenig zu viel des Guten. Doch sie hatte ihm versprochen, sie genau zu befolgen. Nichts von dem, was er sich überlegt hatte, war wirklich falsch, sondern durchaus folgerichtig, denn wenn sie ihr Ziel erreichen wollten, mussten sie zu einigen Täuschungsmanövern greifen.
    Einer der Reiseführer sollte in einer Außentasche ihrer Tasche stecken, und zwar so, dass der Titel herausragte und jemand, der zufällig an diesem Gepäckstück vorbeilief, ihn nicht übersehen konnte. Die anderen Bücher sollte sie in der Wohnung zurücklassen, damit sie mit den übrigen Sachen verpackt würden, wobei Scott ihr allerdings einschärfte, sie an einer auffälligen Stelle auf ihrem Schreibtisch oder Nachtschrank zu deponieren.
    Bevor sie ihr Telefon abmeldete, sollte sie sich ein Taxi rufen. Wenn es eintraf, sollte sie ihre Wohnung abschließen und den Schlüssel auf den Türsturz legen, wo die Football-Möbelpacker ihn leicht finden würden.
    Ashley sah sich in der kleinen Wohnung um, die für sie so etwas wie ein Zuhause gewesen war. Die Poster an den Wänden, die Topfpflanzen, der schmuddelig orangefarbene Duschvorhang waren ihr erstes persönliches Eigentum gewesen, und sie war erstaunt, wie sehr sie plötzlich an den einfachsten Dingen hing. Manchmal hatte sie das Gefühl, noch nicht so recht zu wissen, wer sie war und was für ein Mensch sie werden wollte, doch diese Wohnung war so etwas wie ein erster Schritt in diese Richtung gewesen.
    »Verfluchter Hund!«, sagte sie laut und ersparte sich, den Namen auszusprechen.
    Sie betrachtete den handschriftlichen Zettel ihres Vaters. Na schön, dachte sie, bringen wir es zu Ende.
    Dann ging sie zum Telefon und rief sich ein Taxi.
    Nervös wartete sie im Flur hinter der Haustür, bis der Wagen kam. So wie ihr Vater ihr geraten hatte, trug sie eine Sonnenbrille und eine Strickmütze auf dem Kopf und hatte den Kragen ihrer Jacke hochgeschlagen. Du musst wie jemand aussehen, der nicht erkannt werden und abhauen will, hatte er geschrieben. Sie war sich nicht sicher, ob sie ein Stück auf der Bühne aufführte oder sich vernünftig benahm. Als das Taxi vor ihrem Gebäude hielt, trat sie eilig durch die Tür und legte den Schlüssel an die vereinbarte Stelle. Dann stürzte sie mit gesenktem Kopf, ohne nach rechts und nach links zu gucken, so hastig und verstohlen nach draußen, wie sie konnte, während sie davon ausging, dass Michael O’Connell irgendwo stand und sie sah. Es war früher Nachmittag, und die blendende Sonne warf ihre Strahlen zwischen die Schatten der schma len Nebenstraßen. Sie schwang ihren Koffer und die Reisetasche auf den Sitz und stürzte hinterher.
    »Logan«, sagte sie. »International, Abflug-Terminal.«
    Dann zog sie den Kopf ein und machte sich klein, als wollte sie sich verstecken.
    Am Flughafen gab sie dem Fahrer ein bescheidenes

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