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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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jemanden von auswärts anheuerte.
    »Was anderes, Frau Anwältin? Dann geht es, wie soll ich sagen, um etwas Heikleres?«
    Er besaß offenbar die Fähigkeit, aus den wenigen Worten, die sie ausgesprochen hatte, eine Menge herauszulesen.
    »Wie gut sind Ihre Beziehungen in der Gegend von Boston?«, fragte sie.
    »Ich hab da immer noch ein paar Freunde«, erwiderte er.
    »Welcher Art?«
    Er lachte, bevor er antwortete. »Na ja, ein paar Freunde auf beiden Seiten der Linie, an der sich die Geister scheiden, Frau Anwältin. Ein paar weniger freundliche Zeitgenossen, die sich gerne ein kleines Zubrot verdienen, und ein paar von den Jungs, die sie gerne hinter Gitter bringen würden.«
    Murphy war zwanzig Jahre lang bei der Mordkommission der State Police gewesen, bevor er sich vorzeitig pensionieren ließ und seine eigene Detektei aufmachte. Gerüchten zufolge war seine Abfindung Teil eines Deals gewesen, der ihm auferlegte, über ein paar Aktivitäten eines Drogendezernats in Worcester, auf die er in Verbindung mit einer Mordserie im Drogenmilieu gestoßen war, den Mund zu halten. Eine fragwürdige Arena, wenn auch vielleicht nur dem Ruf nach, und Murphy war mit allem Pomp und Trara in den Ruhestand entlassen worden, während möglicherweise die Alternative entweder eine Anklage gegen ihn oder auch eine halbautomatische Waffe in der Hand eines Latino gewesen wäre.
    »Können Sie für mich einer Sache in Boston auf den Grund gehen?«
    »Ich bin mit ein paar anderen Fällen ziemlich eingedeckt«, erwiderte er. »Um was für eine Sache geht es denn?«
    Sally holte tief Luft. »Etwas Persönliches. Betrifft ein Mitglied meiner Familie.«
    Es trat eine kurze Pause ein, bevor er sagte: »Nun, Frau Anwältin,das erklärt wohl, weshalb Sie ein altes Schlachtross hier draußen anrufen, statt einen von diesen Lackaffen aus dem Kader des FBI oder der Kripo in den höheren Gefilden, in denen Sie Ihre Kanzlei betreiben. Was genau kann ich demnach für Sie tun?«
    »Meine Tochter hatte sich mit einem jungen Mann in Boston eingelassen.«
    »Und Sie mögen den Kerl nicht besonders?«
    »Gelinde gesagt. Er beteuert ihr unentwegt seine Liebe. Lässt sie nicht in Ruhe. Hat irgendeinen Mist mit dem Computer gedreht, der sie ihren Job gekostet hat. Dann hat er ihr das Postgraduiertenstudium zerstört. Vielleicht noch mehr. Hängt ihr wahrscheinlich ständig an den Fersen. Steckt möglicherweise auch hinter einigem Ärger, den ich, mein Ex und eine Freundin von mir haben. Wieder was mit dem Computer.«
    »Was für Ärger?«
    »Hat sich an meinen Konten zu schaffen gemacht. Ein paar anonyme Beschwerden vom Stapel gelassen, kurz gesagt, eine Menge Unheil angerichtet.«
    Sally fand, dass sie den Schaden, den O’Connell ihnen verursacht hatte, ziemlich untertrieb.
    »Dieser Kerl verfügt demnach über ein paar ausgeprägte Fertigkeiten. Wie wollen wir ihn nennen, Exfreund?«
    »Nichts dagegen, auch wenn sie offenbar nur ein einziges Date gehabt haben.«
    »Der macht das alles nur wegen, was, einem One-Night-Stand?«
    »Sieht so aus.«
    Murphy schwieg einen Moment, und Sallys Zuversicht geriet ein wenig ins Schwanken.
    »Okay, hab verstanden. Wie man es auch dreht und wendet, der Typ scheint ein übler Bursche zu sein.«
    »Haben Sie Erfahrung auf dem Gebiet? Mit obsessiven Typen?«
    Wieder herrschte Schweigen, und Sally fühlte sich zunehmend unbehaglich.
    »Allerdings, Frau Anwältin, allerdings«, sagte er langsam. »Mir sind schon ein paar Typen über den Weg gelaufen, die mehr oder weniger dem entsprechen, was Sie beschreiben. Damals bei der Mordkommission.«
    Bei diesem Stichwort bekam Sally einen trockenen Mund.
     
    Hopes Mutter hatte im Garten die Blätter zusammengeharkt und war gerade ins Haus gekommen, als das Telefon klingelte. Auf dem Display erkannte sie die Nummer ihrer Tochter. Wie immer griff sie mit einem Anflug von Unsicherheit nach dem Hörer. »Hallo, Liebling«, meldete sich Catherine Frazier. »Das ist eine Überraschung. Wir haben eine Ewigkeit nicht telefoniert.«
    »Hallo, Mutter«, sagte Hope ein wenig schuldbewusst. »Ich hatte mit dem College und dem Team so viel zu tun, und die Zeit verging wie im Flug. Wie geht’s dir?«
    »Wie soll’s mir schon gehen, gut«, antwortete Catherine. »Ich igele mich für den Winter ein. Die Leute hier meinen alle, dieses Jahr wird er lang.«
    Hope atmete einmal tief durch. Zwischen ihrer Mutter und ihr herrschte stets eine unterschwellige Spannung. Obgleich nach außen hin

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