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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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aggressiver zu werden als bisher.«
    »Aggressiv. Das ist ein Euphemismus. Meinst du, er könnte mir was antun?«
    »Anderen wurde unter ähnlichen Umständen etwas angetan. Ich will damit nur sagen, dass wir Vorkehrungen treffen sollten.«
    Wieder herrschte Schweigen, bevor sie reagierte.
    »Was schlägst du vor?«
    »Ich denke, du musst verschwinden. Das heißt, Boston verlassen, dich für eine Weile an einem sicheren Ort verstecken, und wenn O’Connell endlich weitergezogen ist, kannst du wieder ein normales Leben führen.«
    »Woher nimmst du den Optimismus, dass er tatsächlich weiterzieht?«
    »Wir verfügen über Mittel und Wege, Ashley. Und wenn du Boston für immer verlassen, wenn du, sagen wir, nach L. A., Chicago oder Miami ziehen musst, dann lässt sich auch dasmachen. Du bist noch jung, Ashley, du hast noch viel Zeit, um deine Pläne zu verwirklichen. Ich denke nur, wir müssen ein paar drastische Schritte unternehmen, damit O’Connell dich nicht finden kann.«
    Ashley merkte, wie Wut in ihr hochstieg.
    »Er hat kein Recht dazu«, sagte sie mit erhobener Stimme. »Wieso gerade ich? Was hab ich denn Schlimmes getan? Wieso muss er ausgerechnet mein Leben verpfuschen?«
    Scott gab seiner Tochter Zeit, Dampf abzulassen, bevor er antwortete. Diese Methode war ein Relikt aus ihrer Kindheit. Er hatte schon früh begriffen, dass Ashley am ehesten zu sich kam, nachdem sie sich ordentlich aufgeplustert und ausgetobt hatte. Danach war sie zugänglich und für vernünftige Argumente halbwegs zu haben. Die Tricks eines Vaters.
    »Er hat nicht das Recht, er ist lediglich dazu in der Lage. Also sollten wir versuchen, ein paar Schachzüge zu machen, die er nicht voraussehen kann. Und das Erste ist nun mal, dich außer Reichweite zu bringen.«
    Wieder spürte Scott, wie Ashley am anderen Ende der Leitung die Situation abwog. Er wusste nicht, dass vieles von dem, was er sagte, auch ihr schon in den Sinn gekommen war. Dennoch war sein Vorschlag deprimierend, und Ashley merkte, dass ihr Tränen in den Augen standen. Das alles war vollkommen ungerecht. Als sie sich wieder meldete, schwang Resignation in ihrer Stimme mit. »Einverstanden, Dad«, erklärte sie. »Es wird Zeit, dass Ashley verschwindet.«
     

     
    »Sie haben also einen Privatdetektiv engagiert?«
    »Ja. Einen äußerst kompetenten und versierten.«
    »Das leuchtet ein. So oder ähnlich hätte wohl jedes halbwegs gebildete,finanziell unabhängige Elternpaar reagiert. Einen Experten ins Boot holen. Ich denke, ich sollte mich mit ihm unterhalten. Er hat sicher für Sally eine Art Bericht verfasst. Das machen Privatdetektive doch immer am Ende, oder? Der müsste doch noch aufzutreiben sein?«
    »Ja, Sie haben recht«, bestätigte sie. »Es gab einen Bericht. Einen vorläufigen Bericht. Ich habe die Kopie, die Sally bekam.«
    »Und?«
    »Wie wär’s, wenn Sie zuerst mit Matthew Murphy reden würden? Und danach gebe ich Ihnen den Bericht, falls Sie dann noch darauf zurückgreifen wollen.«
    »Sie könnten mir einige Mühe ersparen«, sagte ich.
    »Vielleicht«, erwiderte sie. »Aber ich weiß nicht, ob es wirklich meine Aufgabe ist, Ihnen Zeit und Mühe zu ersparen. Außerdem denke ich, dass ein Besuch bei dem Privatdetektiv, wie soll ich mich ausdrücken, eine lehrreiche Erfahrung für Sie ist.«
    Sie lächelte, wenn auch freudlos, und ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie sich irgendwie über mich lustig machte. Ich stand auf, um zu gehen, und zuckte die Achseln. Als sie mein enttäuschtes Gesicht sah, seufzte sie.
    »Manchmal geht es um Eindrücke«, sagte sie unvermittelt. »Sie erfahren etwas, Sie sehen etwas und Sie hören etwas, es hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck bei Ihnen. An einem Punkt war es auch so bei Scott, Sally, Hope und Ashley. Eine Reihe von Ereignissen oder Momenten, die sich häuften und nach und nach zu einer Vorstellung davon verschmolzen, wie die Zukunft für sie aussehen könnte. Gehen Sie zu dem Privatdetektiv«, sagte sie in entschiedenem Ton. »Das wird Ihnen unendlich weiterhelfen. Und wenn Sie es dann noch für nötig halten, gebe ich Ihnen den Bericht.«

22
Von der Bildfläche verschwinden
     
    Kleiner Ganove
, war Matthew Murphys erster Gedanke.
    Er starrte auf das wenig eindrucksvolle Vorstrafenregister von Michael O’Connell, das ein Leben geringfügiger Gesetzesverstöße offenbarte. Ein bisschen Kreditkartenbetrug, der, wie Murphy vermutete, darin bestand, geklaute Karten zu benutzen; ein Autodiebstahl als

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