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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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State Police O’Connells Namen durchlaufen zu lassen und auf diese Weise an das Register zu kommen, das er auf den Knien liegen hatte, einschließlich der spärlichen Informationen zu seinem Hintergrund und den aktenkundigen Adressen. Jetzt brauchte er vorerst nur noch ein gutes Foto von der Zielperson. Auf dem Beifahrersitz lag eine moderne Digitalkamera mit Teleobjektiv. Das wichtigste Werkzeug des Privatdetektivs.
    Murphy war Mitte fünfzig – in der Lebensphase, in der die Angst vor dem Altwerden beginnt. Er war kinderlos, geschieden. Was er am meisten vermisste, waren die Jahre als junger Mann im engen Uniformkragen auf dem Massachusetts Turnpike hinter dem Lenkrad eines Streifenwagens, als er routinemäßig im Akkord arbeitete und seinen Kreislauf mit Kaffee und Adrenalin hochpeitschte. Er vermisste auch seine Zeit bei der Mordkommission, doch er war klug genug zu begreifen, dass er sich zu viele Feinde gemacht hatte, um dort das Pensionsalter zu erreichen. Er schmunzelte. Sein ganzes Leben lang hatte er gewusst, wie man den Kopf im letzten Moment aus der Schlinge zieht. Als er nach einem Jahr State Police bei einer Verfolgungsjagd seinen Streifenwagen zu Schrott fuhr, hatte er nur ein paar Kratzer davongetragen, während für die reichen, betrunkenen Kids in Daddys BMW, die er gejagt hatte, jede Hilfe zu spät kam. Bei einer mitternächtlichen Schießerei mit einem bis zur Besinnungslosigkeit vollgekoksten Drogendealer hatte der Mann das Magazin einer Neunmillimeter in seine Richtung leer geballert und damit die Hauswand hinter ihm perforiert. Die einzige Kugel, die er selbst mit geschlossenen Augen auf den Mann abgefeuert hatte, war ein Volltreffer in die Brust gewesen. Er hatte sich bei so vielen Situationen retten können, dass er sich nicht einmal mehr an alle erinnernkonnte, einschließlich einer Begegnung mit einem mehrfachen Mörder, der ein Schlachtermesser in der einen Hand und ein neunjähriges Mädchen an der anderen hielt, während die Leiche seiner Exfrau zu seinen Füßen lag und die seiner Schwiegermutter in einer Blutlache auf dem Küchenboden. Für die Festnahme hatte Murphy eine Auszeichnung bekommen. Eine Belobigung wie auch eine Drohung seitens des Mörders, der schwor, ihn sich als Nächstes vorzuknöpfen, falls er je wieder auf freien Fuß kommen sollte, was nicht allzu wahrscheinlich war. Für Matthew Murphy war die Anzahl an Drohungen, die er auf sich gezogen hatte, ein präziser Gradmesser für seine Leistung. Es waren zu viele, um sie zu zählen.
    Michael O’Connell war bestenfalls nur lästig.
    Er atmete tief durch und überflog noch einmal die Unterlagen auf der Suche nach Anzeichen dafür, wie man den Kerl einschüchtern konnte. Das jedenfalls war die grobe Richtung, die er Sally Freeman-Richards vorschlagen würde. Er würde dem Burschen, flankiert von ein paar alten Kumpeln bei der State Police nach deren Dienstschluss einen nächtlichen Besuch abstatten. Inoffiziell, aber doch mit so viel Drohpotenzial wie möglich, und da brachten sie einiges auf. Sie würden ihn sich ein bisschen zur Brust nehmen und ihm anschließend die einstweilige richterliche Verfügung präsentieren.
    O’Connell sollte dann dämmern, dass er sich mit seiner Verfolgung von Freeman-Richards’ Tochter weit mehr Ärger einhandelte, als die Sache wert war. Und er sollte keinen Zweifel daran hegen, dass der Ärger in diesem Fall den Namen Matthew Murphy trug.
    Er grinste. Das sollte die Sache wohl regeln.
    Zu seiner Zeit hatte er es mit ein paar richtig ausgerasteten Stalkern zu tun gehabt, Typen, auf die eine Drohung mit vorgehaltener Waffe wenig Eindruck gemacht hätte – Pitbulls, diedurch einen Feuersturm laufen würden, um an die Person heranzukommen, von der sie besessen waren, doch O’Connell schien im Grunde nur ein kleiner Ganove zu sein, und mit dem Schlag kannte er sich nun wirklich aus. Was er allerdings nach allem, was er über Michael O’Connell gelesen hatte, nicht begreifen konnte, war, wieso dieses miese kleine Stück Dreck glaubte, Leuten wie Sally Freeman-Richards und ihrer Tochter Ärger machen zu können. Murphy schüttelte den Kopf. Er hatte schon mehr als einen Mordfall gehabt, bei dem ein verlassener Freund oder Ehemann an einer armen Frau, die nichts weiter getan hatte, als ihren Willen durchzusetzen, seine Wut ausgelassen hatte. Murphy fühlte sich mit jedem, der sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu lösen hoffte, automatisch solidarisch. Dabei blieb ihm allerdings ein

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