Das Opfer
warten lassen? Geh schon mal rein und such uns einen Tisch. Ich parke da vorne. Bin in zwei Minuten da, höchstens.«
Ashley winkte ihr zu und sah dem Wagen nach, wie er sich vom Bürgersteig löste. Ziemlich teurer neuer Schlitten, dachte Ashley. Rot. Sie sah, wie Susan einen Block weiter in ein Parkhaus einbog, dann ging sie ins Restaurant.
Susan fuhr auf Ebene drei hinauf, wo weniger Autos standenund sie den neuen Audi an einer Stelle parken konnte, an der es unwahrscheinlich war, dass sich jemand direkt neben sie setzte und die Tür verkratzte. Der Wagen war erst zwei Wochen alt, zur Hälfte ein Geschenk ihrer stolzen Eltern, zur Hälfte eins, das sie sich selbst gemacht hatte, und sie würde verdammt noch mal dafür sorgen, dass der neue Glanz nicht unter dem hektischen Verkehr des Bostoner Zentrums Schaden litt.
Sie stellte die Alarmanlage an und machte sich auf den Weg zum Restaurant. Sie beeilte sich, nahm die Treppe, statt auf den Fahrstuhl zu warten, und war binnen Minuten im Hammer and Anvil, wo sie den Mantel abstreifte und im Nu vor Ashleys Tisch stand, auf dem bereits zwei Glas Bier zur Begrüßung warteten.
Die beiden umarmten sich.
»Hey, Kumpel«, sagte Susan. »Ist zu lange her.«
»Ich hab dir ein Bier bestellt, aber dann kamen mir ernste Bedenken. Eine Karrierefrau an der Wall Street steht vielleicht mehr auf Scotch on the Rocks oder Dry Martini«, meinte Ashley.
»Heute Abend halte ich mich an Bier«, erwiderte Susan. »Ash, du siehst großartig aus.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, räumte Susan innerlich ein. Ihre Freundin von einst wirkte nervös und bleich.
»Tatsächlich?«, fragte Ashley. »Ich glaube nicht.«
»Was ist? Gibt’s Probleme?«
Ashley zögerte, zuckte die Achseln und sah sich im Restaurant um. Helles Licht, Spiegel. Toasts, die an einen benachbarten Tisch gerufen wurden, ein trautes Paar neben dem anderen. Ein heiteres Stimmengewirr. Sie hatte plötzlich das Gefühl, als hätten die Ereignisse an diesem Morgen in einem Paralleluniversum stattgefunden. In ihrer Umgebung herrschte sorglose Ausgelassenheit.
Sie seufzte. »Ach, Susie, ich bin einem miesen Typen begegnet. Er hat mir ein bisschen Angst gemacht. Das ist alles.«
»Angst gemacht? Womit denn?«
»Na ja, er hat eigentlich nichts getan, es hat eher damit zu tun, was er mir sagt. Behauptet, er liebt mich, ich wäre die Richtige für ihn, eine andere interessiere ihn nicht. All so’n Quatsch. Ergibt einfach keinen Sinn. Wir waren nur ein einziges Mal zusammen, und das war ein großer Fehler. Ich hab versucht, es ihm auf die freundliche Art zu stecken, hab ihm gesagt, danke, aber das war’s. Hab irgendwie gehofft, das würde reichen, aber als ich heute aus der Wohnung kam, waren Blumen von ihm vor meiner Tür.«
»Na ja, Blumen klingen fast nach einem Gentleman.«
»Verwelkte.«
Dazu fiel Susan erst einmal nichts ein. »Das ist nicht komisch«, sagte sie schließlich. »Woher weißt du, dass er es war?«
»Es kommt niemand sonst in Frage.«
»Und was willst du nun machen?«
»Machen? Den Typen einfach links liegenlassen. Der haut schon ab. Tun sie alle, früher oder später.«
»Toller Plan, Free-Girl. Klingt, als hättest du dir wirklich jeden Schritt genau überlegt.«
Ashley lachte, auch wenn es eigentlich nicht komisch war.
»Mir fällt schon was ein, früher oder später.«
Susan grinste. »Erinnert mich an diesen Mathe-Kurs. Weißt du noch? Im ersten Jahr. Wenn ich mich recht entsinne, hast du’s bei der Zwischenprüfung mit diesem Motto gehalten und dann, als du die Lektion nicht ganz verstanden hattest, am Semesterende wieder.«
»Ich hätte eben an der Highschool nicht so gut in Mathe sein sollen. Meine Mutter hat mich zu diesem Fehler verleitet. Ich denke, sie hat daraus gelernt. Das war das letzte Mal,dass sie mich auch nur gefragt hat, was für Seminare ich belege.«
Beide jungen Frauen steckten die Köpfe zusammen und kicherten. Es gibt doch weniges im Leben, dachte Ashley, was so beruhigend ist wie das Wiedersehen mit einer alten Freundin. Die lebte zwar inzwischen in einer anderen Welt, erinnerte sich aber an dieselben alten Witze, egal, wie weit ihre Wege inzwischen auseinandergingen. »Ach, genug von diesem miesen Typen. Ich hab einen anderen Kerl kennengelernt, den ich ziemlich cool finde. Ich hoffe, er ruft wieder an.«
Susan grinste. »Ash. Das Erste, was ich mitbekommen habe, als ich mit dir zusammenwohnte, war, dass die Jungs dich
immer
wieder anrufen.«
Sie
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