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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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diesen dicken Ledereinbänden das geballte Wissen von Jahrhunderten verbarg – ein grandioser Erfahrungsschatz und wahre Weisheit!
    Larissa musste diese Bücher unbedingt haben – soviel stand fest. Das Problem war nur, dass sie ein Vermögen kosteten. Ihre gesamten Ersparnisse hätten nicht ausgereicht, um auch nur einen Einzigen der Folianten zu erwerben. Andererseits bestätigten die astronomischen Preise, dass es sich um wirklich wertvolle Werke handelte, und dies verstärkte noch ihren Wunsch, sie zu besitzen. Vor diesem Hintergrund hatte Larissa den Entschluss gefasst, einige der interessantesten Titel zu stehlen, obgleich es ihr ein wenig leidtat, den Buchhändler, diesen freundlichen und zuvorkommenden alten Mann, zu schädigen.
    Beim Öffnen der Ladentür bimmelte ein altertümliches Glöckchengehänge, und sofort stieg Larissa der unverwechselbare Geruch der alten Ledereinbände in die Nase. Die nachgedunkelte Holzleiter am Regal, die massiven Kerzenleuchter aus Bronze, der geschnitzte Hocker – dieses Geschäft passte überhaupt nicht ins moderne Moskau. Vor hundert oder zweihundert Jahren hätte es genauso aussehen können, und wenn an Larissas Stelle Anton Tschechow zur Tür hereingekommen wäre, hätte er sich über nichts gewundert. Höchstens über das kleine Plastikschildchen am Ladentisch, auf dem geschrieben stand: »Wir akzeptieren Kreditkarten aller Art!«
    In Erwartung des Inhabers trat Larissa an den Ladentisch und sah sich um. Sie war die einzige Kundin. Auch sonst herrschte hier nie viel Betrieb. Die meisten Leser bevorzugten offenbar die riesigen Büchersupermärkte, in denen es vom Arztroman bis zum Kochbuch alles gab und Bestsellerregale am Eingang die Kaufentscheidung erleichterten.
    »Guten Tag, Larissa!«
    Durch eine zwischen den Regalen versteckte Holztür kam der alte Mann mit einem dicken Wälzer unter dem Arm in den Ladenraum. Die junge Frau wurde ein wenig verlegen. Nicht nur, weil sie im Begriff war, den gutmütigen Greis zu bestehlen, sondern auch weil es ihr nach wie vor unangenehm war, ihn mit seinem Vornamen Genbek anzusprechen.
    Genbek – ein seltsamer Name.
    Der alte Mann hatte nichts Exotisches an sich: silbergraues Haar, faltiges Gesicht, große Nase – ein Name wie Konstantin Grigorjewitsch hätte gut zu ihm gepasst, oder noch besser Apollinari Feofanowitsch – so hätte man ihn wohl zu Dostojewskis Zeiten genannt. Doch schon bei ihrem ersten Besuch in der Buchhandlung hatte der Alte Larissa seinen Vatersnamen nicht genannt und darauf bestanden, dass sie ihn mit Vornamen ansprach.
    »Guten Tag, Genbek.«
    »Haben Sie sich doch entschlossen, etwas zu kaufen?«
    Der Mann konnte offenbar Gedanken lesen. Auf seinem Gesicht erschien ein freundliches, verständnisvolles Lächeln, während er mit der rechten Hand mechanisch über den Einband des dicken Wälzers streichelte.
    Die junge Frau schluckte: »Ähm, ja, das habe ich in der Tat … Ich hätte gerne Die Aura der Kraft . Wissen Sie noch? Sie hatten es mir gezeigt.«
    Dieses Buch hatte Genbek Larissa erst empfohlen, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass die junge Frau sich ernsthaft mit Magie beschäftigte. Es handelte sich um ein umfangreiches Werk, das Anfang des neunzehnten Jahrhunderts von einer gewissen Fate Sneshana verfasst und erstaunlicherweise mit eben diesem Namen signiert worden war: Fate Sneshana, achtzehnhundertneunzehn. Zunächst hatte Larissa sich mit einer gewissen Skepsis über das Buch gebeugt, doch nachdem sie einige Kapitel überflogen hatte, kam sie aus dem Staunen nicht mehr heraus: Hier wurden in einfacher und verständlicher Sprache eben jene Fähigkeiten beschrieben, die Larissa an sich selbst entdeckt hatte. Die Fähigkeit, andere Leute zu beeinflussen und diesen Einfluss bewusst zu steuern. Nun war die junge Frau geradezu versessen darauf, das Werk in ihren Besitz zu bringen.
    »Eine gute Wahl«, lobte Genbek, verschwand im Lager, wo man die Leiter ächzen hörte, und kam mit dem bestellten Buch zurück. »Ein überaus seltenes und teures Werk.«
    Der Greis musterte Larissa mit größter Aufmerksamkeit. Sein Blick hatte etwas Röntgenhaftes. Durchschaute er sie etwa? Die junge Frau geriet in Panik. Nein, das war völlig ausgeschlossen! Ruhig bleiben, Larissa, du musst dich konzentrieren!
    »Ich nehme es, und dazu noch die Geschichte der Artefakte zusammen mit den Ergänzungsbänden.«
    »Oho!«, der Buchhändler konnte seine Verwunderung nicht verhehlen. »Haben Sie geerbt?«
    »Ich

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